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Auf gutem Weg – trotz der Mutter

Welches Kind will ich Gott besonders anvertrauen?

Für dich und deine Nachkommen nach dir werde ich Gott sein.
Gen 17,7b

„Nicht ich – er ist dein Sohn!“, wehrte sich Eusebiu gegen die feste Umarmung der fremden Frau und schob Costel zu ihr hin. Sie starrte ihn an und fragte enttäuscht: „Du? Hast du eine Zigarette?“ Das waren die ersten Worte, die der fünfzehnjährige Costel aus dem Mund seiner Mutter hörte. Eusebiu war sein Betreuer, der nach vielen Bemühungen herausgefunden hatte, wo sich die Mutter aufhielt: Sie war seit Jahren in einer Psychiatrischen Anstalt, elendig und hilflos. Costel gab ihr eine Tasche mit Geschenken, für die er seit Monaten sein Taschengeld angespart hatte. Zigaretten hatte er keine.
Nach seiner Geburt war er von der Mutter im Spital zurückgelassen worden. Sie konnte ihn nicht versorgen. Mit dem Vater des Kindes war sie nicht mehr zusammen, sie selbst hatte weder Geld noch Platz, und sie war krank. Auch später fragte sie nie nach ihm. Der Bub wuchs in einem der berüchtigten Kinderheime der Ceaușescu-Ära auf. Wie viele andere lief er weg und landete am Bahnhof in Bukarest. Dann kam er in unser Sozialzentrum und wurde auf der „Farm für Kinder“ aufgenommen. Hier spürte er das erste Mal Geborgenheit, die große Gemeinschaft von Kindern und Erziehern wurde seine Familie, und er fand gute Freunde. Oft kam er zu mir und vertraute mir auch in der schwierigen Jugendzeit vieles an, sein Glück und Unglück mit den Mädchen, seine Lebenspläne, sein Versagen und seine Erfolge in der Schule. Dann begann er eine Ausbildung in der Berufsschule und musste in einem Internat wohnen. An den Wochenenden kam er heim, das war für ihn sehr wichtig. Er machte seinen Weg, immer mit Unterstützung unserer Erzieher, die ihn ermutigten und ihm Rückhalt gaben.
Eines Tages wollte er wissen, wo seine Eltern waren. Wir fanden schließlich heraus, wo seine Mutter lebte. Costel hatte große Erwartungen und den heimlichen Traum, dass sie ihn aufnehmen würde. Umso schlimmer war die enttäuschende Begegnung mit ihr. Auf der Rückfahrt saß er im Zug und heulte. Tage später sagte er: „Sie hat mich neun Monate getragen und ernährt, mehr konnte sie nicht. Ich muss ihr jetzt helfen.“ So oft er konnte, schickte er seiner Mutter ein Päckchen mit Schokolade, Früchten, Zigaretten. Costel arbeitete wie ein Wilder, oft hatte er zwei Jobs gleichzeitig, am Bau, als Metzger, in der Gastwirtschaft. Jeden Groschen sparte er für sein Ziel: eine gute Frau, viele Kinder, ein Haus. Dafür kämpfte er – und er hat es erreicht, nach vielen Jahren.
Letzte Woche schickte er mir ein Foto von seiner Mutter, alt und krank, und schrieb: „Mama liegt im Sterben, ich bin bei ihr.“ Kurz darauf folgte ein Bild von der Beerdigung. Costel hat sich um seine Mutter gekümmert, wie sie es nie für ihn getan hat. Er hat – trotz allem – erlebt, wie wertvoll eine Familie ist. Und wird hoffentlich von seinen zwei Kindern auch bis in den Tod geliebt.

Mir fällt an der Zusage Gottes auf, dass er nicht nur mich, sondern ausdrücklich meine Nachkommen einbezieht. Für die Nachkommen wird Gott sorgen. Ist das nicht unser größtes Anliegen? Trotz des dunklen Schicksals der Mutter ist aus ihrem Sohn ein Lichtblick geworden. Wir dürfen über unsere Grenzen hinaus Gutes und Großes für unsere Kinder erwarten. Auf uns und auf die Nachkommen richtet sich der Bund Gottes mit den Menschen.

Welches Kind will ich Gott besonders anvertrauen?