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Schrittweise Öffnung

Seine Heimat aus einer neuen Perspektive erkunden

Er erhob seine Augen und schaute auf, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Als er sie sah, lief er ihnen vom Eingang des Zeltes aus entgegen, warf sich zur Erde nieder.
Gen 18,2

Zum zweiten Mal schloss sich die Tür vor unserer Nase. Das war kein guter Start. Der nächste Ort war ein paar Kilometer entfernt und der Tag neigte sich zu Ende. Unsere Körper spürten die zurückgelegten Kilometer. So trotteten wir zwei weiter auf dem österreichischen Jakobsweg. Unser Ziel war das Stift Stams in Tirol. Knapp 400 km wollten wir beiden „Jungjesuiten“ zu Fuß und ohne Geld innerhalb von gut drei Wochen zurücklegen. Dieses Projekt war seit der Ordensgründung wesentlicher Bestandteil der Ausbildung im Rahmen des Noviziats. Die Regeln waren klar: kein Geld durfte mitgenommen werden. Spenden mussten am Abend weitergegeben werden, so dass jeder Tag bei null beginnt. Für Kost und Logie musste täglich neu gebettelt werden. Dabei durften wir uns nicht als Ordensleute in Ausbildung outen – zumindest nicht bis zur Zusage. Die Strecke suchten wir uns selbst aus. Wir rechneten mit Unverständnis und Ablehnung. Unsere Erwartungen schienen sich zu erfüllen. Also zogen wir weiter in der Hoffnung, noch vor Sonnenuntergang eine Bleibe zu finden.
Am Ortsrand hörten wir eine grölende Gruppe und bald sahen wir schon eine kleine Schar betrunkener Männer vor einer Garageneinfahrt stehen. Überall lagen leere Bierdosen herum. Einer von ihnen rief uns zu: „Wollt ihr ein Bier!?“ Dagegen sprach keine Regel und so gesellten wir uns zur fröhlichen Runde. Schnell lösten sich die Zungen und wir erfuhren von der bevorstehenden Hochzeit der Hausbesitzer. In wenigen Tagen war es soweit und einiges musste noch auf Vordermann gebracht werden. Nicht ganz regelkonform erzählten wir von unserem Vorhaben. Kurzerhand lud uns der noch relativ nüchterne Hausvater ein, über Nacht bei ihnen zu bleiben. Die beiden Kinder übersiedelten ins Wohnzimmer und wir zwängten uns in deren Bettchen.
Am Morgen begrüßte uns ein herrlicher Geruch frischen Kaffees und Eierspeis, sowie eine Menge Fragen, nach dem fünf W-Prinzip: Was, Wann, Warum, Wer und Wie. Staunende „Ahas“ und so weiter. Bald aber wechselte der höfliche Smalltalk zu persönlicheren Fragen, Anliegen und Sorgen. Das Blatt hatte sich gewendet. Von da an wurden wir nur noch einmal abgewiesen. Ansonsten begegnete uns immer wieder neu eine große Gastfreundschaft. Zwar eilte uns niemand entgegen und warf sich vor uns zu Boden, vielmehr begannen die Begegnungen zaghaft mit einem Gespräch über dem Gartenzaun hinweg. Häufig wurde zunächst ein Platz im Gartenhäuschen, Geräteschuppen oder Wohnwagen angeboten. Aber im Laufe des Abends wurde dann doch ein Bett im Haus zubereitet. Verpflegt wurden wir meist auch königlich. Und wenn sich unsere Gastgeber unsicher waren und fragten, was uns denn die anderen gegeben hatten, konnten wir ehrlich antworten: „Kaffee und Eierspeise.“

Freilich waren Robert und ich nicht die göttlichen Besucher von Mamre, die Abraham eine frohe Kunde brachten. Aber wir brachten Sein Wort zu den Menschen, die uns aufnahmen. Vielleicht weniger mit Bibelzitaten, doch gab es kaum ein Gespräch, das nicht in einen tiefen Austausch über Lebens- und Glaubensfragen führte. Unsere Abhängigkeit öffnete Mund und Herz. Für uns waren die Begegnungen ein reicher Segen auf unserem Pilgerweg nach Stams und darüber hinaus.