Wem möchte ich heute meine Tür öffnen?
Er lief weiter zum Vieh, nahm ein zartes, prächtiges Kalb und übergab es dem Knecht, der es schnell zubereitete.
Gen 18,7
Der Anfang ist geschafft! Alle Kinder sind da, haben ihre Anmeldungen abgegeben und eine Nummer erhalten. Diese müssen sie beim Abzählen rufen. Das hilft der zwölfköpfigen Leitung, den Überblick über die 80 Kinder zu behalten. Viele Wochen haben sich die fünfzehnjährigen Gruppenleiter und -leiterinnen auf ihr erstes großes Sommerlager vorbereitet. Diese knapp zwei Wochen sind das Highlight in der Ignatianischen Schüler:innengemeinschaft (ISG) am Canisius Kolleg. Dann brechen die Berliner Kinder auf und tauchen in eine Welt voller Abenteuer, Shows, Wettkämpfen, Wanderungen, und vielem mehr ein. Das Handy bleibt zu Hause. Sowohl für viele Eltern als auch für ihre Kinder ist es die erste Erfahrung einer so langen Trennung. Da möchte man schon sicher sein, dass sich gut und herzlich um das eigene Kind gesorgt wird. Die Leitung ist sich des großen Vertrauensvorschusses bewusst. Sie wollen ihren Schützlingen großzügige Gastgeber sein.
Wie ein guter Gastgeber zu sein, war auch das Leitthema des gemeinsamen Gottesdienstes vor der Abfahrt. Alle Teilnehmenden samt ihren Eltern setzten sich auf den Boden der Schulkapelle. Bestuhlung gab es keine, so dass alle hineinpassten. Den Kindern ist dieser Raum sehr vertraut. Jeden Donnerstag versammeln sie sich hier zum Erzählgottesdienst. In ihren ersten beiden Schuljahren wird ihnen die ganze Bibel in kleinen Schauspielen erzählt. Sie kennen den Mut und das Ringen von Abraham und Sarah auf ihrem Glaubensweg. Ebenso wie deren Freude und Gastfreundschaft beim Besuch der drei Männer bei den Eichen von Mamre. Es ist die Lesung des heutigen Sonntags zusammen mit dem Lukasevangelium von Marta und Maria. Auch sie öffnen ihr Haus für den göttlichen Besucher und Freund.
Inzwischen hat sich die anfängliche Aufregung gelegt und es herrscht eine aufmerksame Atmosphäre. Diese Gottesdienste am Beginn der Sommerfahrten haben meist einen besonderen Charakter. Es ist spürbar, wer sich hier heimelig fühlt und wer etwas fremdelnd. Manch innere Anspannungen und Skepsis der Eltern legen sich sichtlich im Laufe der Feier. Für einige ist es neben Weihnachten und Ostern die einzige Eucharistiefeier im Jahr. Und die Zahl jener, die das erste Mal bewusst einen Gottesdienst mitfeiern, wächst von Jahr zu Jahr. Immer stärker werden die Kinder zu den Anleitenden im liturgischen Dialog und ihre Eltern zu Lernenden. Das hilft ihnen, im Kirchenraum anzukommen und sich willkommen zu fühlen.
Die kommenden beiden Wochen sollen für alle eine Schule in die Kunst des Gastgebers sein. Denn die Fahrt wird gerade dann eine bereichernde Erfahrung, wenn ein innerer Wechsel vom Konsumenten hin zum Gastgeber gelingt. Wem möchte ich heute meine Tür öffnen? Wen kenne ich noch nicht? Was bereite ich dem anderen vor? Gebe ich ihm bildlich gesprochen ein Glas Wasser oder mein bestes Stück Fleisch, wie es Abraham seinen Besuchern zubereiten lässt? Mit diesen Reflexionsfragen beginnt die Predigt. Sie schließt mit dem Hinweis auf die Kommunion. Denn hier schenkt sich Gott mir ganz in der Gestalt von Brot und Wein. Er möchte bei mir einkehren. Das ist Fundament und Freude unseres Glaubensweges, der uns zu großherzigen Gastgebern wandeln möchte.
Für uns alle war das Sommerlager eine Bereicherung. Unser gemeinsamer Weg war keine ebene, breite Straße. Einiges Ringen, viele Gespräche, aber vor allem ganz viel herzliche Leidenschaft der jungen Leitung begleiteten uns auf unserem Wandel.
Wem möchte ich heute meine Tür öffnen?