In welcher Runde kann ich mich wirklich öffnen?
Sie fragten ihn: Wo ist deine Frau Sara? Dort im Zelt, sagte er.
Gen 18,9
Die Stimmung ist merklich angespannt. Vier Tage ist die Gruppe schon gemeinsam auf Abschlussfahrt. Fünf Jahre lang waren sie Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter in der Ignatianischen Schüler*innengemeinschaft (ISG) am Berliner Canisius Kolleg. Mit gerade vierzehn Jahren haben sie sich beworben, wurden gewählt und übernahmen Verantwortung für über 80 Kinder. Damals fegte die zweite Coronawelle über Deutschland. Beim ersten Treffen nach der Wahl mussten alle Maske tragen und über einen Meter Abstand halten. Kaum kamen die ersten Gruppenstunden ins Rollen, wurde die Bevölkerung in den zweiten Lockdown geschickt. Wie lange dieser dauern würde, wusste niemand. Immer wieder wurden Termine verschoben. Die junge Leiterrunde blieb flexibel, kreierte online Gruppenstunden und Spiele, hielt den Kontakt zu ihren Schützlingen. Selbst das Sommerlager musste spontan statt in der Großgruppe auf drei Kleingruppen aufgeteilt werden. Mit den Herausforderungen reifte die Runde. Im zweiten Jahr war aber der Anfangszauber verflogen. Ihnen wurde bewusster, dass sie keine homogene Freundesgruppe waren, sondern von ihrer ehemaligen Leiterrunde aus sechzig Bewerbungen gewählt worden waren. Bei der Wahl wird stets auf eine Heterogenität geachtet, so dass möglichst viele Kinder in der Gruppe Bezugspersonen finden können. Mit der Zeit kamen die unterschiedlichen Persönlichkeiten mehr zur Geltung und die Runde musste lernen, miteinander zu gestalten, sich Rückmeldungen zu geben und sich gegenseitig auch zu ertragen. Das ist wahrlich kein selbstverständlicher Prozess. Wie gut, dass sie von zwei feinfühligen jungen Erwachsenen dabei begleitet wurden.
Nun ist aber der vierte Tag der Abschlussfahrt. Die Woche dient der Reflexion der gemeinsamen Zeit und der persönlichen Entwicklung sowie als Dank für all das großherzige Engagement. In den ersten Tagen konnte die Gruppe einmal die Seele baumeln lassen, Wasser und Sonne sowie herrliches Essen genießen. Die erste Reflexionseinheit beschäftigte sich mehr mit der persönlichen Entwicklung. Auf diese Übungen konnten sich alle gut einlassen. Aber in der heutigen Reflexion stand die Gruppendynamik im Mittelpunkt. Wo hat mich die Gruppe gefördert? Wo gehindert? Welche Rollen waren mir angenehm? Welche mühsam? Die Fragen verursachten bei einigen Unbehagen. Nicht alle waren bereit, alte Wunden anzusprechen, Unausgesprochenes beim Namen zu nennen, persönliche Enttäuschungen mitzuteilen. Andere wiederum erhofften sich endlich Klarschiff machen zu können. Gegenseitige Erwartungen prallten unausgesprochen aufeinander. Die erste Übung galt mehr als Aufwärmphase. Sie half Vorbehalte und Bedenken zu nehmen. Stunde um Stunde wurde die Bereitschaft zum Austausch größer. Verdecktes wurde behutsam hervorgeholt. Es wurde gut zugehört. In den Pausen folgten einzelne Zweiergespräche. Viel wurde geweint wie auch gelacht. An einem Punkt stießen wir leider an. Denn es fehlte die zwölfte Person der Runde. Wir wussten, dass Ninni sehr gerne mitgefahren wäre, aber sie hatte andere Verpflichtungen. Gegen Ende konzentrierten sich die Aussagen immer mehr auf sie und ihren großen Einfluss, den sie auf Einzelne sowie die gesamte Gruppe hatte. Manche nannten sie die Fürstin der Leiterrunde.
Ähnlich näherte sich das Gespräch der Männer bei der Eiche von Mamre nach all den aufwärmenden Höflichkeiten ihrem Kern. Sie waren wegen Sara, das hebräisch Fürstin heißt, gekommen. Ihr galt ihre befreiende Botschaft. Sie sollte ihrem Namen Ehre machen.
Gerne hätte die Gruppe Ninni in den Austausch eingebunden und sie an der befreienden Wirkung teilnehmen lassen. Sie waren am Ende sehr gelöst und einen großen Schritt gereift. Wäre wunderbar, wenn ihre Mitleiterin einmal auch diese Erfahrung machen dürfte.