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Dass ich das noch erleben darf!

Wann hast du das letzte Mal vor Freude gejubelt und gelacht?

Da fiel Abraham auf sein Angesicht nieder und lachte. Er sprach in seinem Herzen: Können einem Hundertjährigen noch Kinder geboren werden und kann Sara als Neunzigjährige noch gebären?

Gen 17,17

Zur Taufe Jesu, am letzten Tag der Weihnachtszeit, räumte ich die schönen Glückwunschkarten für Weihnachten und Neujahr weg. Glückliche Familien strahlten mich noch einmal an. Auf dem Handy stieß ich dann auf ein Video, das mir die Freunde vom Bahnhof in Bukarest per WhatsApp geschickt hatten. Straßenkinder, die ich vor dreißig Jahren kennengelernt hatte, nun Männer mit tief ins Gesicht gezogenen Mützen, grauen Bärten, dunklen Jacken, zerrissenen Schuhen. Nur eine Frau war ganz in Rot gekleidet, Cristina. Sie trägt immer die Farbe ihrer Fußballmannschaft Steaua București. Wie sie immer so sauber und gepflegt sein kann, wo sie doch seit ihrer Kindheit in der U-Bahnstation lebt – ich weiß es nicht. Die Gruppe steht vor dem Bahnhof, die Hände umklammern Pappbecher mit heißem Tee, sie haben Brot und ein paar blaue Fischdosen. Am Boden liegen Schlafsäcke, die wir ihnen zu Weihnachten gebracht haben. Einer nach dem anderen tritt vor und sagt einen Wunsch. „Wir danken euch auch für das Festessen, das ihr uns geschickt habt. Alles Gute für das neue Jahr!“ Eine andere Frau raucht und schickt einen Handkuss: „Vom Nordbahnhof viele Grüße!“ Costel, der über den Sommer bei uns wohnte, jetzt mit dichtem langem Bart: „Ich liebe euch. Ihr seid tief in meinem Herzen eingegraben, auch wenn ich nicht mehr bei euch bin.“ Der drogensüchtige Vandam: „Alles Gute im neuen Jahr, frohes Fest, Gott soll euch segnen, amen.“ Dann geht er zur Seite und zieht sein Plastiksackerl aus dem Ärmel, bläst es auf und saugt wieder den Aurolack ein. Moise, mein Freund, der immer dicker wird, ist leicht betrunken. „Danke für alles, was ihr gemacht habt für mich und für das Buch. Danke auch allen Spendern. Und alles Gute für deine Familie, besonders für deine behinderte Schwester.“ Dann kommt noch Viorel, den ich nicht kenne, sie drängen ihn, einen Gruß für mich zu sagen: „Wir danken Fabian und Rafael, die jeden Tag bei uns sind.“ Cristina ergänzt ihre Wünsche für eine frohe Silvesternacht in Transsilvanien mit: „Danke, dass ihr uns seit so vielen Jahren helft. Kommt auch in Zukunft. Und Ruth, du bist feurig schön. Du siehst gut aus … für dein Alter.“ Victor und Ionuz, beide mit mehr Lücken als Zähnen im Mund, beenden die Grußbotschaft: „Wir wünschen euch ein gutes Jahr, dass es euch so gut gehen wird wie uns. Küsse aus Bukarest! Es gibt einen Gott.“

Das alles ist verrückt und unglaublich. Zum Weinen? Nein, meine Freunde bringen mich zum Lachen. Die wenigen, die auf der Straße überlebt haben, sie strahlen Witz und Stärke aus, sie ermutigen und danken – ich muss lachen oder Freudentränen weinen.

Als ich den drei Minuten langen Film vom Bahnhof noch einmal sah, ging es mir wie Abraham, als er wieder Vater wurde. „Da fiel Abraham auf sein Angesicht nieder und lachte. Er sprach in seinem Herzen: Können einem Hundertjährigen noch Kinder geboren werden und kann Sara als Neunzigjährige noch gebären?“ Genauso unglaublich war die Botschaft von meinen alt gewordenen Kindern, die ich zu Weihnachten bekam. Ich musste an einen Freund denken, der immer wieder in Staunen ausbricht und ruft: „Dass ich das noch erleben darf!“ Wir erleben unglaubliches Glück, ja, Wunder, die wir nicht übersehen dürfen.

Wann hast du das letzte Mal vor Freude gejubelt und gelacht?