Wann ist zum letzten Mal ein Fremder in dein Haus gekommen? Welche Gäste machen dir Freude? Wen bittest du, dass sie zu dir kommen?
Abraham sagte: Mein Herr, wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, geh doch nicht an deinem Knecht vorüber!
Gen 18,3
„Wenn ihr nach Wien kommt, müsst ihr uns besuchen!“ Oft und oft schon hatte Robert Pater Georg und mich eingeladen. Wir sollten seine Familie sehen. Er ist stolz auf seine schöne Frau und seine zwei Söhne. Und nun sind sie in ein neues Haus am Stadtrand von Wien gezogen. Heute ist es endlich so weit, wir sind auf dem Weg zu Robert. An der U-Bahn-Station holt er uns mit seinem eleganten Auto ab. Stolz fährt er uns zu seinem Haus. Er hat noch Kredite zu bedienen, aber es ist sein Eigenheim. Wer hätte gedacht, dass das Kind aus einem rumänischen Roma-Viertel eine Familie haben, in Wien leben und so tüchtig sein würde!
Vor vielen Jahren brachten Straßenkinder in Bukarest den Buben aus der Schule mit. Er sei ein guter Schüler und der beste Fußballer. Wir sollten ihm helfen, weil die Familie die Wohnung verloren habe. Wir nahmen ihn auf in die Casa Austria, eines unserer Kinderhäuser. Robert wurde tatsächlich der eifrigste Schüler, eine gute Lokomotive für die anderen Kinder. Er schloss die Schule ab, lernte Deutsch und wollte an der Fakultät in Bukarest Wirtschaft studieren, in deutscher Sprache. Freunde unterstützten ihn und so konnte er schließlich in Wien den Master machen. In einer großen Firma fand er eine Anstellung. Seit zehn Jahren hat er sich mit viel Einsatz ins Management hinaufgearbeitet.
Jetzt stehen wir vor seiner Türe. Da erwartet uns schon seine Frau, schick gekleidet, sie begrüßt und umarmt mich, lässt mich kaum mehr los. Es riecht nach gutem Essen. Wir ziehen die Schuhe aus, wie es hier üblich ist. Das gilt ebenso für die zwei Buben, die vom Fußballspiel hereinstürmen. Auch die rumänische Großmutter ist da, sie überreicht jedem ein Glas Sekt, wir stoßen an. Das junge Paar führt uns durch sein Haus. Alles ist sauber und gepflegt. Hinter dem Haus liegt ein kleiner Garten, hier hat Robert den Grill vorbereitet. Steaks werden aufgelegt. Einer der Buben spricht vor dem Essen ein Tischgebet, es ist dasselbe, das Robert als Kind bei uns gelernt hat. Es gibt köstliche Vorspeisen aus der rumänischen Küche. Dazu serviert Robert erlesenen Wein. Am Schluss gibt es noch eine kunstvoll verzierte Torte. Wie viele Stunden und wie viel Liebe sind in dieses festliche Mahl geflossen! Wir haben reichlich zu erzählen. Von der Zeit, als er bei den Kindern noch „Roberto Carlos“ war, von den Gasgeschäften, um die er sich heute kümmern muss, bis zur Freude, die seine Frau und er mit den Kindern haben. Wir singen. Es wird spät. Die Kinder müssen ins Bett, morgen ist Schule.
Robert lässt mich an Abraham denken, der drei fremde Männer in sein Zelt bat. Er lebte die biblische Radikalität, nach der die Aufnahme von Gästen höher steht als selbst die Begrüßung Gottes. Abraham sagte zu den Fremden: „Mein Herr, wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, geh doch nicht an deinem Knecht vorüber!“ Und es erfüllte sich seine Ahnung, dass der Besuch göttlich sei. Wir haben bei Robert und seiner Familie Dankbarkeit und Gastlichkeit bekommen. Der Abend hat ein wunderbares Licht auf unsere Freundschaft geworfen, die damals Robert gerettet hat und heute uns allen große Freude macht.
Wann ist zum letzten Mal ein Fremder in dein Haus gekommen? Welche Gäste machen dir Freude? Wen bittest du, dass sie zu dir kommen?