Gesegnet. Eine Zeit, von der du sagen kannst: ich habe zu mir gefunden und zu meiner Aufgabe.
Ich will sie segnen und dir auch von ihr einen Sohn geben.
Gen 17,16a
Zwei Mädchen standen vor unserer Tür, Plastikbeutel in den Händen. „Könnt ihr die beiden ein paar Tage aufnehmen?“ Ihre Mutter Larisa schob sie in unseren Hof und drehte sich schon weg, sie war in Eile. In wenigen Minuten sollte sie der Bus abholen; mit anderen Rumänen wurden Larisa und ihr Mann zur Erdbeerernte nach Deutschland gebracht. Sie brauchten dringend Geld. Zuhause gab es ständig Streit. Larisa sagte, sie müsse vor ihm flüchten, er wiederum meinte, sie habe andere Männer. Es stimmte wohl beides. In neuer Umgebung wollten sie es noch einmal miteinander versuchen. Ihre Töchter nahmen wir in unsere Gemeinschaft auf. Es war ein schöner Sommer, und die „paar Tage“ gingen rasch vorbei. Die Schule begann – doch von den Eltern kam kein Lebenszeichen, und sie waren auch nicht erreichbar. So blieben die Mädchen bei uns. Izabela, die Kleinere der beiden, stand im Schatten ihrer ehrgeizigen Schwester. Beide lernten in der Musikschule ein Instrument, aber Izabela hatte keine Lust zum Üben. Auch in der Schule fehlte sie immer öfter, und so flog sie überall raus.
Endlich kamen im Herbst die Eltern aus Deutschland zurück, aber nicht mehr als Paar. Larisa hatte sich mit einem der Arbeiter eingelassen und zog zu ihm. Der Vater wollte die Mädchen nicht mehr zurücknehmen, vor allem nicht die schwierige Izabela. Er sagte, sie sei ohnehin nicht von ihm … Das abgelehnte Kind zog mit Freunden herum und war dann plötzlich verschwunden. Sie war an Zuhälter geraten, wurde nach Spanien geschickt und musste Geld für die Chefs verdienen. Jahre später tauchte sie wieder auf. Irgendwie hatte sie es geschafft, zu entkommen und sich bis in ihr Dorf durchzuschlagen. Sie brachte ein Baby mit. Und jetzt – wohin? Niemand wollte sie aufnehmen. Der Vater jagte sie weg. Die Schwester hatte keinen Platz in ihrer kleinen Wohnung. In ihrer Not suchte die verhärmte Izabela ihre Mutter Larisa auf. Die war inzwischen längst wieder mit einem anderen Partner zusammen. Als die Mutter die Tür öffnete, stand vor ihr ihre Tochter mit dem wimmernden Kind …
Larisa, die sich nie um Izabela gekümmert hatte, wurde von dem Baby verwandelt. Sie schloss ihre Tochter in die Arme und versprach, dass sie beide bei ihr bleiben könnten. Die Großmutter kümmerte sich um das Baby, wie sie es bei ihren eigenen Töchtern nie zustande gebracht hatte. Jetzt rettet sie nicht nur ihr Enkelkind, sondern hat auch ihre Tochter angenommen.
Ich weiß nicht, warum Larisa eine so schlechte Mutter gewesen war. Vielleicht, weil sie selbst geschädigt war von Armut und Missbrauch in ihrer Großfamilie unten am Bach? Ihre Töchter hatten in ihr nie eine Mutter gefunden. Es mag ihr wie Sara ergangen sein, die von ihrem Mann Abraham das ersehnte Kind nicht bekam und alt wurde. Oft wurde sie zurückgesetzt und sogar von der Magd gedemütigt. Nach vielen bitteren Jahren hörte sie den Ratschluss Gottes: Ich will dich segnen und dir die Würde und das Glück geben, Mutter zu sein. Mit dem Schrei des Enkelkindes, das grausamen Verhältnissen entstammte, wurde Larisa zur Mutter für ihre Tochter und das Baby.
Einen langen und schwierigen Weg waren Sara und Larisa gegangen. Erfolglosigkeit, unerfüllte Wünsche, mühselige Zeiten – doch plötzlich fanden die zwei Frauen ihren Platz, ihre Würde.
Gibt es eine Zeit, von der du sagen kannst: ich habe zu mir gefunden und zu meiner Aufgabe?