Mit welcher Haltung trete ich vor Gott?
Abram fiel nieder auf sein Angesicht. Und Gott redete mit ihm.
Gen 17,3
Der Steinboden ist kalt. Ich liege ausgestreckt auf dem Boden. Meine Stirn ruht auf meinen Händen. Eingekleidet bin ich in einer weißen Albe. Sie erinnert mich an meine Taufe. Ich bin froh, an diesem Ort zum Priester geweiht zu werden. Der barocke Raum ist mir sehr vertraut. Viele wunderbare Gottesdienste habe ich hier mitgefeiert. Zusammen mit Jugendlichen veranstalteten wir in der Innsbrucker Jesuitenkirche Tanzprojekte zu den Themen Unterscheidung der Geister sowie Intimität, die ungewohnte Haltungen des Gebets darboten.
Die eingelegten Marmorplatten des Bodens zeigen einen Stern. Er markiert den Kreuzpunkt zwischen Langschiff und Querschiff. So bildet der Grundriss der Kirche ein Kreuz, das Symbol unseres Glaubens. Es gibt unzählige wunderbare Anfertigungen davon, wie das große Kreuz im Eingangsbereich der Kirche direkt über dem Weihwasserbecken. Es ist eine seltene Darstellung ohne Seitenwunde. Die Lanze hat das Herz noch nicht durchbohrt. In seiner Kunstfertigkeit fasziniert es, wie viele andere Kreuze. Selten aber noch erschüttert der gemarterte Mann. Vielmehr Ekel löst heute hingegen ein gekreuzigter Hund aus. Über seine eigene Reaktion bei dessen Anblick in einem Münchner Museum erschrickt Bischof Heimer. Der blutige Köter lässt ihn sein Jesusbild hinterfragen, wie er ungeschminkt in seinem Buch „Gott ist nicht nett.“ schildert: „Mir wurde klar, wie abgewaschen und weichgespült mein Jesusbild geworden ist.“
Ist dieser Gott wirklich nett, der sich so machtlos in unsere Hände überlässt? Wo ist hier seine Allmacht! Kann er mir überhaupt helfen? „Wenn Du Gottes Sohn bist, dann steig doch herab!“ Wie nah schrammen meine Glaubenskonditionen an dieser biblischen Verhöhnung? Wenn Du Gott bist, dann …! Vor diesem Gott liege ich nun ausgestreckt da, wie in der Karfreitagsliturgie. Die Wucht des Kreuzes darf mich niederwerfen. Das bewahrt mich vor gutgemeinter Glättung. Gleichzeitig kocht die Empörung des Petrus nicht selten in mir hoch: „Das darf nicht geschehen, das soll Gott verhindern!“ Doch unsere Berufung ist Nachfolge, nicht Führung.
Unter mir befindet sich die Unterkirche. Viele Abende verbrachte ich in der Krypta vor dem Allerheiligsten knieend – in stiller, betender Gemeinschaft. Einige der dort begrabenen Mitbrüder habe ich noch erlebt. Um mich herum fassen vier Pfeiler den Marmorstern ein und verweisen auf die irdischen Himmelsrichtungen. Kraftvoll streben sie nach oben und tragen die himmlische Kuppel. An deren höchsten Punkt schwebt der Name Gottes in den vier hebräischen Buchstaben JHWH, aufgetragen auf einem goldenen Dreieck. So bleibt die Wucht des Kreuzes und des Todes nicht im Irdischen stecken. Erde und Himmel sind verbunden. Das Kreuz Jesu führt in die Herrlichkeit Gottes. Das ist die zentrale Botschaft unseres Glaubens. Aber durchdringt sie meinen Alltag? Ist mein Glaube so stark, dass ich ihn in diese Welt tragen kann? Auch die Wucht des Auftrags kann niederwerfen. Aus Menschenkraft ist dies nicht möglich. Das erfährt jede Glaubende, wie auch jeder Zweifler. Es ist gut, zu wissen, dass man nicht allein unterwegs ist, sondern mitgetragen von einer großen Glaubensgemeinschaft. So darf ich mich fallen lassen in die Klänge der Heiligenlitanei und auf ihre Fürsprache vertrauen.
Einer von ihnen ist Abram, der uns in die ehrfürchtige Haltung der Prostration, der betenden Niederwerfung vor Gott einführt.