Momente der Trennung sind Seismographen der inneren Freiheit
Liegt nicht das ganze Land vor dir? Trenn dich also von mir! Wenn du nach links willst, gehe ich nach rechts; wenn du nach rechts willst, gehe ich nach links.
Gen 13,9
Sie strahlen vor Freude. Sie haben den diesjährigen Friedrich-Spee-Preis gewonnen. Damit werden junge Menschen am Canisius Kolleg, der Jesuitenschule in Berlin, ausgezeichnet, die in ihrem Alltag hinschauen, wo andere wegsehen; die Missstände ansprechen, statt zu schweigen; die Verantwortung übernehmen, statt nichts zu tun. Und nun wurde die 13-köpfige Arrupe-Leiterrunde der Ignatianschen Schülergemeinschaft (ISG) am Canisius Kolleg ausgezeichnet. Sie „haben die Weichen dafür gestellt, den Jugendbereich der ISG nun auch strukturell und nachhaltig für die Schülerinnen und Schüler der ISS-Pedro-Arrupe [Integrierten Sekundarschule] zu öffnen. Damit haben Sie einen wesentlichen Akzent zur gegenseitigen Integration am gesamten Kolleg gesetzt. Neue Räume und Formate für Diskurs und Begegnung wurden mit hoher Anstrengung durch sie entwickelt, um den Erfordernissen und Bedarfen junger Menschen aus verschiedensten kulturellen Kontexten und Gebräuchen zusammenzuführen. Ein hohes Maß an Frustrationstoleranz und Mühen haben Sie immer wieder erbracht, um dieser Gruppe die Möglichkeit zur Entwicklung zu eröffnen […]“, lautet die offizielle Begründung für den Preis.
In den vergangenen Monaten haben sie Höhen und Tiefen der Jugendarbeit erlebt und sind als Team gewachsen. Fünf von ihnen werden ab September nicht mehr in Berlin sein und ein neues Team muss aufgestellt werden. Die Runde hat sich versammelt um auf das kommende Schuljahr zu blicken. Was haben wir gelernt? Worauf müssen wir zukünftig achten, damit unser Hauptziel, die Integration der Jugendlichen aus der ISS in die Gemeinschaft des Canisius Kollegs, erreicht wird? Letztlich muss das langfristige Ziel sein, die Doppelstruktur des Kollegs – das Gymnasium und die ISS – in der ISG aufzubrechen, damit alle Mitglieder am selben Programm teilnehmen können. Derzeit aber gibt es noch eigene Gruppenstunden für die Gymnasiasten und eigene für die Jugendlichen der ISS. Die letztere betreut die frisch ausgezeichnete Arrupe-Leiterrunde.
Im Verlauf des gemeinsamen Brainstormings beginnt die Runde sich selbst zu hinterfragen. Würden wir nicht am ehesten unser Ziel erreichen, wenn es uns nicht mehr bräuchte? Wenn die kommenden Schüler ohne Deutschkenntnisse gleich von Beginn an in die bestehenden Jugendgruppen der Gymnasialschüler aufgeteilt werden? Ein solcher Gedanke wäre vor zwei Jahren nicht denkbar gewesen. Aber durch den Einsatz der Arrupe-Leiterrunde sind die Jugendlichen der ISS immer mehr ein fixer Bestandteil der ISG geworden. Im kommenden Jahr könnte ihre Aufgabe nur noch die Begleitung jener Jugendlichen sein, die zu alt für die klassischen Gruppenstunden sind. Für sie braucht es ein eigenes Programm, das hilft, Brücken zwischen den beiden Schulzweigen zu schlagen. Und im Idealfall braucht es in drei bis fünf Jahren weder dieses spezielle Angebot noch die Arrupe-Leiterrunde an sich.
Das freudige Strahlen ist einer ernsthaften Schwere gewichen. Am Höhepunkt ihres Wirkens haben sie innerhalb von zwei Stunden Unterscheidung ihre eigene Auflösung eingeläutet. Alles zum Wohl der Gemeinschaft – das ist rational allen klar. Emotional aber keine leichte Kost. Umso beeindruckender ihr Entschluss, diesen Weg zu gehen. Damit bestätigen sie, was der letzte Satz der Begründung für den Preis nennt, „Prestige und äußere Anerkennung für ihr Engagement waren zu keinem Zeitpunkt für sie Motivationsfaktoren. Allein der Einsatz um „der anderen Wil-len“ war ihnen Ansporn und Triebfeder.“
Ihr Blick aufs Ganze schenkt ihnen eine innere Freiheit, wie sie sich im obigen Bibelvers bei Abraham zeigt. Zum Wohl der Gemeinschaft trennt er sich von Lot und lässt ihm die erste Wahl.