Auf dem Teller zeigt sich mein Umgang mit der Schöpfung
Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen. Das alles übergebe ich euch wie die grünen Pflanzen.
Gen 9,3
„Wir haben es gewusst, wollten es aber nicht glauben!“ Diese Worte eines befreundeten Pfarrers aus dem Ahrtal lassen mich nicht mehr los. Einige Tage vor Aschermittwoch 2022 war er bei uns zu Gast. Ein paar Sandsäcke waren sicherheitshalber vor Feuerwehrstation und Kirche aufgetürmt. Die Ankündigung einer sieben Meter hohen Flut schien der Gemeinde unvorstellbar. Vor meinem inneren Auge zeichnete sich ein absurdes Bild ab: sieben Meter hoher Dämme um die Gebäude mitten im Trockenen. Vermutlich hätten die Leute den Pfarrer wie Noach mit seiner Arche für verrückt gehalten.
Aber es stimmt. Wir wissen viel. Wollen es aber nicht glauben. Würden wir es glauben, müssten wir in den Augen dieser Welt „ver-rückt“ handeln. Es würde ein Umdenken, eine Metanoia verlangen.
Wir wissen es, wollen es aber nicht glauben. Wir wussten, dass Putin der Ukraine nicht ihre Freiheit lassen würde. Die Vergiftung von Wiktor Juschtschenko etwa lenkte den Verdacht schon 2004 auf den Kreml. Die Annexion der Krim zehn Jahre später schluckten wir wie eine bittere Pille. Die russischen Truppenübungen rund um die Ukraine als Vorbereitungen eines Einmarsches zu deuten galt als Panikmache. Der emotionale Hilferuf des ukrainischen Botschafters in Berlin ging im diplomatischen Gerede unter. Noch zwei Tage vor Kriegsausbruch sah ich Boris Johnsons Kriegsrhetorik als Ablenkung von seinen Lockdown-Partys. Die Vorstellung eines Krieges in Europa in dieser Größenordnung schien einfach zu verrückt.
Für verrückt hielten die Nachbarbauern Simons Eltern, die schon vor Jahrzehnten ihre Landwirtschaft in einen Biohof verwandelten. Eine gewaltige Investition. Zusammen mit zwei Gleichgesinnten nervte der Allgäuer unsere Noviziatsgemeinschaft mit „Biokult“ und Klimawandel-Schreckensbildern. Unvergesslich aber bleibt mir das Kurzreferat eines der drei, in dem er aufzeigte, wie der intensive Fleischkonsum zu Waldrodungen führt, was wiederum direkten Einfluss auf das Klima hat, sodass der Meeresspiegel steigt, Inselgruppen und Küstengebiete nicht mehr bewohnbar werden und neue Flüchtlingsbewegungen in Gang kommen. Ein Mitbruder sprach von einer nicht aufhaltbaren neuerlichen Völkerwanderung.
Mit den Fridays-for-Future-Protesten hat die Klimabewegung eine neue, junge Dynamik bekommen. Der Anteil der sich rein vegetarisch ernährenden Kinder und Jugendlichen in unserem Jugendverband steigt rapide. Produkte von Großunternehmen wie Nestlé oder Coca-Cola dürfen nicht gekauft werden. Das macht die Organisation nicht gerade einfacher. Die Jungen verlangen von uns Älteren ein radikales Umdenken. Das kann schon nerven. Der Ton des moralisch Erhabenen gibt dem Ganzen einen bitteren Beigeschmack, kann der Bewegung aber nicht ihre Notwendigkeit nehmen. Zumindest werden wir nie behaupten können, dass wir die Konsequenzen unserer Ernährung nicht gekannt hätten. Wäre es so verrückt, den Jungen Glauben zu schenken und mit der uns geschenkten Nahrung nachhaltiger umzugehen?
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