Zum Inhalt springen

Zahlenlehre

Was erwarte ich von Gott, wenn’s nicht so läuft, wie ich mir das vorgestellt habe?

Abram antwortete: Herr und GOTT, was kannst du mir geben? Ich gehe kinderlos dahin und Erbe meines Hauses ist Eliëser aus Damaskus.
Gen 15,2

355-60-6 drei Zahlen aneinandergereiht. Nicht willkürlich, aber versuchen Sie es erst gar nicht, eine Zahlenkombination oder logische Folge darin zu lesen. Die drei Zahlen haben Gewicht. Sie repräsentieren Fakten, an denen man sich nicht herumwinden kann. Nüchtern stehen sie da. So ist es mit Zahlen, auch wenn sie von Menschen erzählen. 355 Jesuiten leben derzeit in der Zentraleuropäischen Provinz (ECE). Sie setzt sich aus den Ländern Deutschland, Schweden, Litauen, Lettland, Schweiz und Österreich zusammen. 60 Mitbrüder sind unter 50 Jahre alt. 6 junge Erwachsene prüfen im zweijährigen Noviziatsprogramm ihre Berufung zum Jesuiten. Meine Gemeinschaft schrumpft in kürzester Zeit radikal.
„Ach, hätten wir nur noch zwei weitere Jesuiten am Canisius Kolleg, dann …“, schießt es mir immer wieder durch Kopf und Herz. In unserer Schule mitten in Berlin gehen täglich mehr als 900 Schüler ein und aus, über 100 Mitarbeiter wirken mit und zahlreiche Alumnis verfolgen wohlwollend das Geschehen. Viele Eltern fragen, ob wir nicht das geistliche Programm, das wir ihren Kindern anbieten, auch ihnen offerieren könnten. Die Nachfrage nach Seelsorge ist groß. Die Menschen bringen uns viel Vertrauen entgegen. Es fehlt die man-power.
„Weil die Gesellschaft [Jesu], die nicht mit menschlichen Mitteln errichtet worden ist, mit ihnen weder bewahrt noch gemehrt werden kann, sondern nur durch die allmächtige Hand Christi unseres Gottes und Herrn, ist es notwendig, auf ihn allein die Hoffnung zu setzen, dass er selbst bewahren und voranführen müsse, was er zu seinem Dienst und Lobpreis und zur Hilfe der Seelen anzufangen sich gewürdigt hat. […]“ mit diesen Worten beginnt der zehnte und letzte Teil unserer Ordenssatzungen, der sich der Bewahrung und Vermehrung des Ordens widmet. Mit Blick auf unsere derzeitige Ordenssituation kann ich nicht leugnen, dass es Momente gibt, in denen ich wie Abram zweifelnd zu Gott rufe: Herr und GOTT, was kannst du uns geben? Wir gehen ohne Berufungen dahin. Wie Abram hast Du uns berufen, unsere Heimat zu verlassen. Abram steht am Ende seiner Tage und von der verheißenen Nachkommenschaft keine Spur. Was kann er tun?

Natürlich hat jeder von uns Jesuiten mindestens eine Idee, was alles geändert werden müsste, damit es zu mehr Berufungen komme. Hier ist sicherlich unsere Kreativität gefordert und der Warnruf vor Aktionismus darf nicht zu Untätigkeit führen. Gleichzeitig gilt es, sich immer wieder ehrlich nach den eigenen Motiven der Sehnsucht nach Berufungen zu fragen. Sind diese wirklich selbstlos, oder doch eher aus der Angst vor Bedeutungsverlust getrieben? Beten wir um Berufungen, weil wir sie brauchen? Gerade in der täglichen Begleitung junger Erwachsener ist es eine süße Versuchung, die eigenen Sehnsüchte über jene der Suchenden zu stülpen.

Der heilige Ignatius sah den Orden stets als Mittel, nie als Ziel. Er meinte einst, dass er nur fünfzehn Minuten Gebet bräuchte, um sich wieder zu sammeln, falls der Papst den Orden auflösen würde. Mit der Papstwahl des Kardinals Carafa schien dieser Moment gekommen zu sein. Ignatius und der neue Papst Paul IV hatten unterschiedliche Vorstellungen von der Seelsorge. Bleich und zitternd zog sich unser Ordensgründer ins Gebet zurück, und kam eine viertel Stunde später in tiefen, inneren Frieden zurück. Ein Geschenk, das nur Gott geben kann.

355-60-6 keine erbetene, aber hoffentlich eine notwendende Zahlenlehre.