Mit welchen Materialien ist das „Haus“ gebaut, das mich in bedrohlichen Situationen des Lebens trägt und beschützt?
Mach dir eine Arche aus Goferholz! Statte sie mit Kammern aus und dichte sie innen und außen mit Pech ab!
Gen 6,14
Ein Tag im Mai 1966. Vor unserem abseits vom Dorf gelegenen Bauernhof steht ein Pferd, frisch gestriegelt und sauber glänzend, eingespannt in einen zur alltäglichen Arbeit gebrauchten hölzernen, zweiachsigen Leiterwagen. Der ist beladen mit einem zweihundert Jahre alten Bauernkasten – ins Holz geschnitzt die Jahreszahl 1770; bisher diente er im Haus als Abstellraum für Allerlei, jetzt ist er herausgeputzt und geschmückt mit selbstgewebten Tüchern und bunten Bändern, versehen mit gestickten Blumensymbolen und gehäkelten Spitzenborten. Auf dem waagrecht im Wagen liegenden Kasten liegen schön drapiert ein Federbett, ein Bettbezug, zwei Polster und Leintücher. Ein kleines Kunstwerk. Langsam setzt sich das Pferd in Bewegung, vom Haus weg in Richtung Dorf, begleitet von einer lustigen, singenden und trinkfesten Schar junger Männer. Die Älteste von uns zehn Kindern heiratet. Dazu gehörte damals der Brauch des „Truheführens“, so genannt, weil eine „Hochzeitstruhe“ aus dem Haus der Braut in das Haus des Bräutigams überführt wurde. Als Aussteuertruhe war sie ein sichtbares Zeichen, was die Braut an materiellen Gütern in die Ehe mitbrachte. „Bei mir war nicht viel drinnen“, erinnert sich die heute Achtzigjährige. Die tiefere Bedeutung dieses Brauches aber bestand darin, dass die Braut auf ihrem Weg in das Abenteuer einer neuen Beziehung etwas Wertvolles und Stärkendes aus ihrer Tradition mitnahm – Beziehungen, Werte, Glaubensgüter –, die in diesem wertvollen Holzkasten auf Dauer verwahrt wurden. Dass vor allem durch die sichtbare Symbolik des eigenen Bettes der intime Raum der Braut so betont und geschützt wurde, ist verständlich in einer kulturellen Situation, in der Sexualität verdrängt, wenn nicht sogar tabuisiert wurde. So war die „Hochzeitstruhe“ für die Braut eine Art Arche für die kommenden Herausforderungen in einer neuen Lebensform. Ein hölzernes Zeichen der Liebe des Elternhauses.
Die Bibel liebt es, Gottes Sorge für den Menschen in Symbole des Holzes zu kleiden. Mit Noach beginnt es. Im Blick auf die zukünftigen Wasserfluten soll er einen Kasten bauen. Aus Holz, ein Material, das im Wasser nicht untergeht; die Fugen zwischen den Brettern mit Papyrusfasern verdichtet; außen und innen mit Pech bestrichen, damit das drohende Element nicht eindringen kann. Wenn die Lebensstürme zu heftig werden und das Leben gefährden, dann braucht es kein Schiff zum Vorwärtskommen, sondern einen Kasten zum Überleben, der schwimmt und sich nicht in die Tiefe ziehen lässt. Mit Mose setzt sich diese Sorge Gottes fort. Diesmal ist es ein kleines Modell eines solchen Holzkastens – die Bibel verwendet dasselbe Wort wie bei Noach –, das den zukünftigen Hirten des Volkes aus dem zum Todesfluss gewordenen Nil rettet. Später auf der Wüstenwanderung wird ein mittleres Modell, ein quadratischer Altar aus Akazienholz, den mitgehenden Gott gegenwärtig machen. Eine weihnachtliche Krippe aus Holz und das Holz des Kreuzes stehen in dieser Tradition göttlicher Zeichen der Liebe aus Holz.