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Du, du bist mein Freund

Wer schenkt dir einen solchen Bund? Auf wen kannst du dich bedingungslos verlassen? Wer kennt dich noch in der Not?

Und Gott sprach zu Abraham: Du aber sollst meinen Bund bewahren, du und deine Nachkommen nach dir, Generation um Generation.
Gen 17,9

Mitten im Lied stand Victor auf und verließ den Raum. Das Keyboard verstummte. Kurz hielten alle den Atem an, dann sangen sie ihr Lieblingslied weiter: „Wir sind eine vereinte Familie …“
Victor blieb draußen. Er ist sehr empfindlich, die leiseste Bemerkung verunsichert ihn. Seit seiner Jugend nimmt er schwere Drogen und wankt ständig zwischen Entzug und Absturz. Mit Freude hatte er am Keyboard den Gesang begleitet. Bis einer meckerte: „Spiel schneller, ich habe Hunger.“ Das war zu viel für ihn. Er flüchtete.
An diesem Nachmittag war eine Schar von verwahrlosten Männern und Frauen im Sozialzentrum versammelt, die ewigen Straßenkinder vom Bahnhof in Bukarest. Vor dreißig Jahren, als ich ihnen zum ersten Mal begegnete, waren sie noch Kinder, weggelaufen aus den schrecklichen Kinderheimen der Ceaușescu-Zeit. Sie schlugen sich mit Betteln durch; heute sind sie über Vierzig und haben es schwer. Sie haben es nicht geschafft, sich irgendwo einzufügen und sind auf der Straße geblieben. Ein Wunder, dass sie noch leben. Viele andere sind in der Kälte und an Drogen gestorben. Für die letzten dieser Elenden hat ELIJAH vor zwei Jahren in der Nähe des Bahnhofs ein Haus aufgemacht. Sie sehnen sich nach Ruhe, Wärme, Essen und nach Gemeinschaft. Am Nachmittag gibt es eine Gebetsstunde. Da krächzen sie miteinander die Lieder von früher, die sie noch auswendig können. Wir beten das Vaterunser, dann schüttet jeder sein Herz in langen Fürbitten aus. Beim anschließenden Essen und heißen Tee leuchtet Himmel herein in das dunkle Leben. Vor allem jetzt, wo die Nächte bitterkalt sind und diese kranken Menschen eine Zuflucht suchen.
Heute kündigte Fabian, der Hausleiter, beim Essen an, dass einige bei uns im Haus übernachten könnten. Sofort begann ein Gerangel, wer hier schlafen dürfe. Noch bevor er die Plätze vergab, ging Fabian hinaus und suchte Victor. Er fand ihn auf der anderen Straßenseite bei den Mistkübeln. Der Arme zitterte noch vor Zorn und Kälte und weigerte sich, mitzukommen. Fabian umarmte ihn und redete auf ihn ein. „Ich will dich im Haus. Du hilfst mir mit der Musik. Wir sind doch Freunde“, warb Fabian um den Drogensüchtigen. Da entspannte Victor sich, und seine Augen leuchteten auf. Er kam wieder herein und ist geblieben, jetzt schon über einen Monat.

Du, Victor, du, Abraham – mit euch habe ich einen Bund geschlossen. „Du sollst meinen Bund bewahren.“ Bedingungslos ist das göttliche Entgegenkommen. Genauso wie Fabian seinen Freund Victor gesucht hat, als er draußen vor der Tür war. Zweimal Du, „du und deine Nachkommen nach dir“, ist die göttliche Initiative, eine Freundschaft, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.

Wer schenkt dir einen solchen Bund? Auf wen kannst du dich bedingungslos verlassen? Wer kennt dich noch in der Not?