Was sind wir bereit für den Frieden einzusetzen?
Wer Blut eines Menschen vergießt, um dieses Menschen willen wird auch sein Blut vergossen. Denn als Bild Gottes hat er den Menschen gemacht.
Gen 9,6
Seit acht Wochen herrscht Krieg in Europa. Kaum 900 km östlich vom Brandenburger Tor fallen Bomben. Am Berliner Hauptbahnhof kommen täglich unzählige ukrainische Flüchtlinge an. Die allgemeine Solidarität ist weiterhin beeindruckend wie auch der erbitterte Widerstand der Ukrainer. Die Entdeckungen der Massengräber in Butscha zeigen die Teufelsspirale der Gewalt. Die ukrainische Erde wird wieder einmal mit menschlichem Blut getränkt. Menschen, deren Würde in Konzentrationslagern mit Füssen getreten worden ist, müssen fliehen oder sterben im Bombenhagel.
Am Beginn des Krieges wurde zwischen Wladimir Putin und dem russischen Volk unterschieden. Einige mutige unter ihnen demonstrieren öffentlich gegen das Regime. Aber es gibt auch die Mitläufer, die Zivilisten ermorden und Kriegsverbrechen begehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj fordert inzwischen ein Schuldgeständnis aller Russen ein. Weitere Schuldzuweisungen laufen auf Hochtouren. Der deutsche Präsident Franz-Walter Steinmeier ist in der Ukraine nicht willkommen. Hätten er und andere deutsche Politiker nicht viel früher Putins Spiel durchschauen müssen? Einzelne Stimmen wie Otto von Habsburg hatten vor diesem ehemaligen KGB Mann schon kurz nach dessen Amtsantritt gewarnt. Haben wir uns zu naiv vom russischen Gas und Öl abhängig gemacht und über Putins Kriege in Georgien, Afghanistan und Krim hinweggesehen? Vor wenigen Wochen sollte noch trotz amerikanischen Widerstands Gas durch Nord Stream 2 laufen. Diese Tage muss sich Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, über vermeintliche Abhängigkeiten von russischen Machenschaften rechtfertigen. Nach diversen Expertenmeinungen würde eine sofortige Loslösung der russischen Energiequellen, die von der Corona-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Einbrüche nicht übersteigen. Auch könnten andere Länder wie Norwegen mehr Gas liefern, so dass die Sanktionen gegenüber Russland radikal verschärft werden könnten.
Mit der Lieferung schwerer Waffen zögert Olaf Scholz noch, während Kanada und andere westliche Staaten schwere Artillerie ankündigen. Gleichzeitig soll kurzerhand das deutsche Verteidigungsbudget eine 100 Milliarden starke Finanzspritze erhalten. Was über Jahrzehnte überhört oder nicht als notwendig erachtet wurde, soll nun schnellstmöglich gekittet werden. Schon jetzt kann die Bundeswehr kaum noch eigene Waffen liefern, weil sie sonst selbst wehrlos dastünde.
Aber der Hilferuf nach Waffen aus der Ukraine reißt nicht ab. Selbst meine ukrainischen Mitbrüder appellieren an uns über WhatsApp, die pazifistische Rhetorik zu lassen und für Waffenlieferungen zu werben. Denn bevor der Aggressor nicht gestoppt wird, sind Friede und Versöhnung nicht möglich. Blut soll nicht um der Rache Willen vergossen werden, sondern um Gerechtigkeit zu schaffen. Selbst Wolodymyr Selenskyj findet mitten in seiner Kriegsrhetorik auch prophetische Worte der Versöhnung. Aber um dorthin zu gelangen, muss der russische Angriff abgewehrt werden.
Ebenso wenig nährt sich der biblische Aufruf nach Blut des Täters von der Sehnsucht nach Rache, sondern nach Gerechtigkeit. Er soll den Wert des Menschen als Gottes Bild in den Mittelpunkt stellen. Mord und Krieg durchkreuzen dieses Bild völlig. Im österlichen Licht dürfen wir hoffen, dass all das leiderfüllte Mühen um Gerechtigkeit und Versöhnung, all ihre Opfer letztlich vor Gottes Gericht ihr Recht erhalten und der Widerstand nicht sinnlos ist.
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