Von der Opferrolle zum Hoffnungsträger
Hagar gebar dem Abram einen Sohn. Und Abram gab seinem Sohn, den ihm Hagar geboren hatte, den Namen Ismael.
Gen 16,15
Es hätte alles anders laufen können, wäre da nicht die Corona Pandemie gewesen. Die frisch gewählte zwölfköpfige Leiterrunde stand am Beginn der Planungen ihres ersten großen Sommerlagers, als sie die Hiobsbotschaft der Absage traf. Dabei bilden doch diese zweiwöchigen Jugendfahrten den Höhepunkt des Jahres. Über 80 Prozent einer Schulstufe fährt mit. Das ganze Programm wird von der Leiterrunde vorbereitet und durchgeführt, ganz nach dem Grundsatz des Verbandes, „Jugend leitet Jugend“. Solch intensive Zeit schweißt eine Gruppe zusammen. Aber diese Erfahrung blieb ihnen verwehrt. Kaum hatte sie diesen Dämpfer verkraftet, folgte der nächste: Gruppenstunden konnten nur noch online abgehalten werden. Wie sollte da eine Beziehung zu ihren Schützlingen wachsen können?! Endlich näherte sich der ersehnte Sommer und das erste Sommerlager – zwar mit Maske und Schnelltests – konnte stattfinden. Nicht alles lief rund, die Aufgabenverteilungen und Absprachen etwa waren mangelhaft. Aber das ist übliches Lehrgeld. Im folgenden Schuljahr schränkten wieder neue Coronamaßnahmen den Normalbetrieb ein. Bei manchen war die Motivation für die Jugendarbeit nun sehr geschwächt. Gruppenstunden fielen aus, Fortbildungen und Treffen wurden kurzfristig abgesagt, schließlich folgten einige Verstöße gegen die Grundregeln des Verbandes. Trotzdem brach die gesamte Gruppe mit ihren Kindern auf das nächste Sommerlager auf. Kaum waren alle eingespielt, die Beziehungen zu den Kindern schienen sich zu vertiefen und die Freude am Amt aufzublühen, zeigten sich die ersten doppelten Striche auf den Schnelltests. Binnen drei Tagen waren es so viele, dass abgebrochen werden musste. Mit hängenden Köpfen und verärgert begann das neue Schuljahr. Diesmal ohne die vier älteren Leiter, die nach dem Abitur in die große weite Welt aufgebrochen waren. Zurück blieben die acht Jüngeren. Bei einigen war die Stimmung am Boden. Es kam zu weiteren gravierenden Regelverstößen, für die sie keine Verantwortung übernehmen wollten. Sie bezeichneten sich selbst als „Corona-Opfer“ und leckten ihre Wunden. Auf verschiedenste Weise versuchten die beiden Studenten, die sie seit Anfang an begleiteten, die Jugendlichen zu erreichen. Aber keine Maßnahme zeigte Erfolg, selbst ein extern moderiertes Gespräch verlief sich bald. Die anderen Leiterrunden des Verbandes, die selbst durch die Pandemie getaucht waren, wunderten oder ärgerten sich über deren Verhalten. Das schwarze Schaf war geboren.
Wieder näherte sich der Sommer. Ein Vorbereitungswochenende für die Fahrt war angesetzt. Zugesagt hatten einige. Aber würden sie auch kommen? Während der letzten Monate waren die Gruppenleiter kaum sichtbar. Sie kamen, aber ohne Motivation. Da riss bei der Leitung der Geduldsfaden. Es kam zur Konfrontation und zum Ultimatum. Radikaler Kurswechsel oder Abbruch. Nach der Ansage verließen die Studenten den Raum. Gute zwei Stunden diskutierte die Gruppe unter sich. Sie machten weiter. War das wieder ein leeres Versprechen? Wenige Tage später entschied sich ein Leiter sein Amt niederzulegen. Das schlug Wellen, doch fuhr der Rest auf Sommerfahrt.
Müde aber strahlend kehrten sie zurück. „Unser erstes richtiges SoLa!“ Das schwarze Schaf hüpfte vor Stolz. Dieser Aufwind trug bis zum letzten Sommerlager vor wenigen Wochen, das alle Beteiligten beseelte und Freude in den ganzen Verband brachte.
Wie beseelt musste Hagar gewesen sein, als sie Abram nach der Zeit der Trennung ihr Kind gebar?! In den Augen vieler war die junge Mutter das schwarze Schaf, doch nun brachte sie neue Lebenshoffnung in die Gemeinschaft.