Wann hast du eine Verheißung bekommen? Wann hattest du ein Erlebnis, das dich von der Zukunft träumen lässt, im Blick auf dein Werk und deine Lieben?
Ich mache dich über alle Maßen fruchtbar und lasse dich zu Völkern werden; Könige werden von dir abstammen.
Gen 17,6
Auf der kleinen Dorfstraße herrscht heute dichter Verkehr. Große Busse und bunte Pferdefuhrwerke folgen den Wegweisern: Es sind Schilder mit Raben, deren Schnäbel die Richtung anzeigen. Vor der Gemeindewiese steigen viele Kinder und deren Eltern aus und strömen zum Festplatz. Die Pferdefuhrwerke finden einen schattigen Platz. Von ihren Wägen steigen Roma, groß und klein. Heute findet hier der Rabentanz statt, unser jährliches Sommerfest, bei dem Kinder aus der ELIJAH-Musikschule ein Konzert für ihre Familien und alle unsere Freunde geben. Die Raben – so der Schimpfname für die Roma – werden musizieren und tanzen. Es sind Kinder aus armen Familien, ausgestoßen und verachtet. Jetzt stehen sie im Mittelpunkt, der „Rabe“ wird zum Ehrennamen.
Eine Tribüne ist aufgebaut, auf Strohballen werden die Zuhörer sitzen. Kupferschmiede haben ihre Stände und verkaufen große und kleine Kessel. Daneben hat der Kunstschmied seinen Silberschmuck auf schwarzem Samt ausgelegt. Im Hintergrund steigt Rauch auf, Würste werden gegrillt. Die Frauen in bunten Röcken tanzen schon, obwohl die Musiker eben erst die Akustikprobe durchführen. Auf dem Platz sind bereits über zweitausend Leute versammelt. Dann beginnt die mitreißende Roma-Musik. Über hundert Kinder geigen im Orchester auf, tanzen und singen. Sie schaffen es, dass die vielen ZuhörerInnen, Roma und Nicht-Roma, mitschwingen und vom Feuer der Musik angesteckt werden.
Da erhebt sich aus dem Publikum der Roma-König Dorin Cioaba, der aus Sibiu zu unserem Fest gekommen ist. Er geht auf die Bühne und ergreift das Wort. Feierlich überreicht er uns eine Auszeichnung, golden gerahmt. Ein Ehrendiplom für die Integration und Arbeit mit den Roma-Kindern. Er vergleicht uns mit den Schatzsuchern, die nach Südamerika gezogen sind und nach Diamanten gegraben haben. Sie seien auf Steine gestoßen, in tiefen Erdgruben. Die Funde hätten sie geborgen und geschliffen, zu wertvollen glitzernden Diamanten. So sei die Arbeit von ELIJAH. „Ihr habt Talente im Schmutz und in der Armut der Roma-Siedlungen gefunden. Ihr habt die Kinder herausgeholt und durch Bildung und Liebe zum Glänzen gebracht. Die Kinder sind heute wertvolle Diamanten. Das Schönste aber ist, dass ihr die Beute nicht mit ins Ausland nehmt, sondern im Land lasst. Hört euch diese wunderbaren Klänge an!“ Und schon stimmten unsere MusikerInnen ein und zeigten mit Inbrunst, was sie zu bieten haben. Ich fühlte großes Glück. Unser Traum, dass die Roma-Kinder das Land verändern, wird sich erfüllen!
Beim Rabentanz war der lange Weg zum Fest vergessen. Die vielen Streitereien um Brot, Geld und Instrumente. Die entnervten Lehrerinnen. Und aller Schmutz und Schlamm in der Siedlung. Der Widerstand der Eltern, die nicht lesen und schreiben können, gegen die Schule. Ihre Kinder auf der Bühne strahlten Freude und königliche Würde aus. An diesem Tag leuchteten Tausende Menschen und feierten miteinander. Glücklich und erschöpft, wie ich war, erfasste mich die göttliche Verheißung, wie sie Abraham erhielt: „Ich mache dich über alle Maßen fruchtbar und lasse dich zu Völkern werden; Könige werden von dir abstammen.“
Wann hast du eine Verheißung bekommen? Wann hattest du ein Erlebnis, das dich von der Zukunft träumen lässt, im Blick auf dein Werk und deine Lieben?