Im Alter, im Misserfolg, im Widerstand – wo hat sich dir etwas Wunderbares aufgetan?
Ist denn beim HERRN etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben.
Gen 18,14
Bevor die Wächter herbeieilen konnten, war Catalin schon wieder aufgesprungen. Einmal nur, kurz, hatte er in der Audienzhalle des Vatikan auf dem weiß gepolsterten Stuhl sitzen wollen, auf dem sonst nur der Papst sitzen darf. Rasch war der Bub wieder bei seinen Freunden, mit denen er aus Rumänien nach Rom angereist war, um bei einem Fest für Roma, Sinti und fahrendes Volk feurige Musik aufzuspielen. Der Papst höchstpersönlich wollte die fünftausend Versammelten aus der ganzen Welt empfangen. Catalin kommt aus Nou, einem Dorf in der Nähe von Sibiu, zu Deutsch Hermannstadt.
Ich erinnere mich, wie wir vor acht Jahren mit seinen vier Geschwistern, der Großmutter, einer Tante und dem verzweifelten Vater am Bett seiner kranken Mutter standen und beteten. In einer kleinen, dunklen Hütte, unten am Bach. Im Kerzenlicht hielten wir uns an der Hand, Catalin saß am Bettrand und umarmte seine Mama, er wollte sie nicht gehen lassen. Sie hatte die letzten Wochen sehr gelitten und war am Ende, der Krebs war stärker als sie. Der Vater wusste nicht, wie er allein mit fünf kleinen Kindern durchkommen sollte. Die alte Großmutter brauchte selbst Hilfe. Die Tante war gekommen, um ihre Schwester zu pflegen, aber nun musste sie zurück zu ihren Kindern.
In der Nacht starb die Mutter, sie war erlöst. Wir nahmen die Kinder morgens in die Casa Martin auf, wenn der Vater zur Arbeit ging, und sie blieben bei uns, bis er müde nach Hause kam. Catalin war den ganzen Tag über im Sozialzentrum, eine Mitarbeiterin ermunterte ihn, in der Musikschule ein Instrument zu lernen. Ohne Mama wolle er nie wieder eine Melodie hören und schon gar nicht spielen, sagte er. Doch irgendwann wurde er neugierig und lernte Klarinette. Lange traute er sich nicht, mit und vor anderen zu spielen. Dann holte der Leiter der „Königlichen Schatra“ ihn zu seinen Schülern. Catalin blühte auf. Inzwischen spielte er so gut, dass er unter Hunderten Musikschülern ausgewählt wurde, in Rom dabei zu sein.
Jetzt stand er mit seinen Freunden auf der Bühne der großen Audienzhalle im Vatikan, unweit vom Thron des Papstes. Sie begannen zu proben. Eine der Wächterinnen machte sich Sorgen, ob diese Musik nicht zu wild sei für Seine Heiligkeit. Dann öffnete sich die Türe, alle starrten aufgeregt hin. In weißem Gewand kam Papst Leo XIV. herein und setzte sich auf den Stuhl. Und lauschte mit breitem Lächeln der Roma-Musik. Catalin stand vorne und spielte mit seiner Klarinette Lieder von Liebe, Mädchen und Pferden. Stolz und glücklich holte er aus seinem Instrument alles heraus. Zuhause in Rumänien sah sein Vater einen Bericht von der Audienz in den rumänischen Abendnachrichten – vorne stand sein Sohn! „Die Mama im Himmel ist glücklich über dich!“, sagte er zu Catalin, als er ihn bei der Rückkehr in die Arme nahm. „Und ich bin selber auf dem großen weißen Stuhl gesessen!“ strahlte Catalin verschmitzt.
„Ist denn beim HERRN etwas unmöglich? Nächstes Jahr um diese Zeit werde ich wieder zu dir kommen; dann wird Sara einen Sohn haben.“ Dieses Wort des göttlichen Boten hat sich in der schwierigen Roma-Welt erfüllt. Aus dem schüchternen Buben, der die Mutter verloren hat, ist ein begeisterter Musiker und selbstbewusster Sohn eines glücklichen Vaters geworden.