Was weckt in jungen Menschen den Ehrgeiz, Aufgaben zu übernehmen, auch wenn sie ihnen viel abverlangen?
Lot erhob seine Augen und sah, dass die ganze Jordangegend überall bewässert war. Bevor der HERR Sodom und Gomorra vernichtete, war sie bis Zoar hin wie der Garten des HERRN, wie das Land Ägypten. Da wählte sich Lot die ganze Jordangegend aus. Lot brach nach Osten auf und sie trennten sich voneinander.
Gen 13,10-11
Abram und Lot vereinbarten, dass sie sich trennen und ihre Herden in verschiedenen Gegenden weiden sollten, damit es nicht zum Streit zwischen den Hirten kam. Abram ließ seinem Neffen die Wahl. Der junge Lot blickte nach Osten und sah die Jordansenke mit dem heißen und feuchten Klima, die dem Garten Eden glich und ihn an die fruchtbare Gegend am Nil erinnerte. Im Westen ragten raue Hügel empor. Wer hätte nicht wie Lot die ertragreiche Senke gewählt? Dem Abram blieb die karge Berglandschaft mit dem scharfen Wind. Er stellte sich mit seinen Hirten und Herden der schwierigen Aufgabe. All ihre Kräfte wurden gefordert, sie mussten ums Überleben kämpfen, das schweißte sie zusammen. Sie wurden zu Unternehmern, die an die Zukunft glaubten. Was Lot bei seiner Wahl des üppigen Bodens nicht geahnt hatte, waren die Gefahren des Reichtums und der Zivilisation. Seine Leute wurden verwöhnt und verweichlicht. Mit allen materiellen Möglichkeiten nahmen die Laster zu, charakterliche Schwächung bis hin zur Verdorbenheit.
Nicht alle Jugendlichen können wie Lot wählen, wohin sie ziehen. Und doch ist der Wohlstand unserer Gesellschaft für viele eine Belastung. Die Familie von René lebt in einem Vorort von Paris. Das Erbe der Großeltern genügt, um auch die Generation der Enkel sorglos leben zu lassen. Alle konnten auf Eliteschulen eine gute Ausbildung absolvieren, manchmal mussten die Eltern über Beziehungen etwas nachhelfen. René macht bei uns ein Praktikum, weil er es für sein Studium braucht. Heute liegt er im Bett, mit Kopfweh. Die Mutter hat ihm Medikamente mitgegeben und gibt ihm telefonisch genaue Anweisung, was er tun darf und was nicht. Wenn er einmal nicht anruft, bombardiert sie uns mit Telefonaten. Er dürfe sich nicht überanstrengen, wahrscheinlich sei er zu lange an der Sonne gewesen … Am Nachmittag spaziert er durchs Dorf, mit Kopfhörern im Ohr. Ob er jemals ein Kind ansprechen wird? René geht es wie den Kindern des Lot. Wie findet solch ein junger Mensch Momente des Glücks?
Aus einer anderen wohlhabenden Familie kommt Martin seit Jahren zu uns, um in den Ferien mitzuarbeiten. Er fragt immer nach neuen Projekten, damit sich sein Einsatz wirklich lohnt. Der junge Volontär studiert Technik und könnte im Sommer mit anderen Jugendlichen die Welt bereisen. Doch Martin wählt einen anderen Weg. Er will – unentgeltlich – arbeiten, anderen Menschen, die es schwer haben, etwas beibringen. Er ist einer, der nicht reden will, sondern zupackt. Wohl fühlt er sich, wenn er abends hundemüde ist, schmutzig und verschwitzt. Er freut sich über das Gelungene und tüftelt noch in der Nacht, wie er die unerledigten Aufgaben bewältigen könnte. Die Kinder und die Jugendlichen – und besonders die Kollegen, die er mitzieht – lieben ihn.
Das Jesuswort gilt: „Geben ist seliger als Nehmen.“ Wie Abram: die Herausforderung wählen und die Berge suchen. Was weckt in jungen Menschen den Ehrgeiz, Aufgaben zu übernehmen, auch wenn sie ihnen viel abverlangen?