Wonach sehnst du dich? Aufbruch zu Neuem.
Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen.
Gen 12,3
„Die Zigeuner kommen mir nicht ins Haus!“, drohte der Vater, wenn Antoaneta mit den Kindern aus der Siedlung unten am Bach spielte, „Sie stehlen und bringen Flöhe mit.“ Doch die braven Nachbarskinder waren Antoaneta zu langweilig. Viel lustiger waren die Abenteuer mit der stürmischen Roma-Bande, etwa mit Marina, die sich einen Schneidezahn ausgeschlagen hatte, als sie beim Räuberspiel vom Baum fiel. Später machte Antoaneta eine solide Ausbildung und arbeitete in einer Bank. Jetzt war sie in sicherer Gesellschaft, ihre Eltern waren beruhigt. Doch in ihr schlummerte eine Sehnsucht. Vielleicht waren es die Erinnerungen an Marina, die sie nicht in Ruhe ließen?
Nach Dienstschluss ging Antoaneta oft zu einer Roma-Familie. Sie brachte Essen mit und führte die kranke Mutter zum Arzt. Dann stieß sie auf unser Angebot, im Projekt für Roma-Familien mitzuarbeiten. Sie kam zum Gespräch. Jetzt war sie entschlossen, sich ganz für die Roma einzusetzen. Egal, was der Vater darüber denken mochte! Sie kündigte bei der Bank und wurde Sozialarbeiterin. Für die Kinder musste sie Dokumente beschaffen, um sie in die Schule zu bringen. Sie fand Musiker, die Schlagzeug und Klarinette unterrichteten. Die Mütter kamen zum Wäschewaschen, Kinder wurden geduscht und bekamen frische Kleider, ein warmes Mittagessen und nachmittags wurden Hausaufgaben gemacht, wurde musiziert und gespielt. Tag und Nacht teilte sie mit den Familien Sorgen und Freuden. Eilte in die Hütten, wenn der betrunkene Vater die Kinder bedrohte, und feierte Feste mit den Leuten. Immer mehr Aufgaben kamen dazu, Antoaneta suchte Mitarbeiter. Und sie staunte, wie viele Menschen an die verrückte Idee glaubten, dass „die Zigeuner“ lernen und arbeiten wollen. Ihr Sozialzentrum wurde zum Mittelpunkt im Dorf, aus den Trommelstunden entwickelte sich eine Musikschule mit Tanzgruppen. Antoaneta wagte sich immer weiter hinaus. Auch in den Nachbardörfern waren Sozialzentren gewachsen, die sie begleitete.
Am Beginn dieses Jahres fragte ich sie, ob sie bereit sei, die Leitung des gesamten ELIJAH-Werks zu übernehmen. Nach kurzer Bedenkzeit sagte sie zu. Jetzt musste sie aufbrechen in unsere Zentrale im Nachbarort. Das hieß Abschied nehmen von ihren Schützlingen, die sie jeden Tag im Sozialzentrum bestürmten. Bei der Sitzung verkündete ich: „Antoaneta ist die neue Direktorin! Bitte stärkt ihr den Rücken, damit sie es schafft.“ Über achtzig Kolleginnen applaudierten. Iulian rief: „Wir lieben dich.“ Einer ging auf sie zu: „Du wirst Chefin, eigentlich wollte ich das machen. Mit mir wirst du es schwer haben.“ Doch der Neid ging unter in Freude und Glückwünschen.
Die wagemutige Antoaneta hat einen Zuspruch bekommen, wie ihn Gott Abraham gegeben hat, nachdem er Land und Vaterhaus verlassen hatte, um in das Land zu gehen, das Gott ihm zeigte. „Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen.“ Das ist der Segen, der von mutigen Menschen ausgeht, die ihrer inneren Stimme folgen. Viele werden durch sie gesegnet, doch es gibt auch den einen oder anderen Widerspruch, wenn auch hoffentlich keinen Fluch.
Antoaneta verließ das enge Denken im Heimatdorf. Sie wollte denen helfen, die dort verachtet wurden. Junge Menschen schließen sich ihr an. Gemeinsam tragen sie ein Werk, das Roma-Kindern das Tor zu einem besseren Leben öffnet.
Wonach sehnst du dich? Aufbruch zu Neuem.