Statt Einheitstendenzen der Vielfalt Raum schaffen.
Darum gab man der Stadt den Namen Babel, Wirrsal, denn dort hat der HERR die Sprache der ganzen Erde verwirrt und von dort aus hat er die Menschen über die ganze Erde zerstreut.
Gen 11,9
Ich gebe es zu! Die folgende Darstellung der Ordensgeschichte ist schlaglichtartig und glorifizierend, aber sie erfüllt mich mit Freude:
1540 gründete Ignatius von Loyola mit seinem Freundeskreis einen neuen Orden. Nicht nur der Name „Gesellschaft Jesu“ war kühn, sondern auch der Verzicht auf feste Klostermauern, dem gemeinsamen Chorgebet und einem Ordensgewand. Die Gruppe stellte sich mit einem eigenen Gelübde dem Papst zu Diensten. Wo er die größere Not sah, konnte das Oberhaupt der Kirche die frischgebackenen Ordensleute senden. Anstatt sich an einem festen Ort zu gruppieren, durchwanderten die Gründungsväter die Welt. Franz Xaver brach nach Indien auf, während Diego Laínez und Alfonso Salméron beim Konzil von Trient mitwirkten. Später stieß Peter Faber dazu, nachdem er Parma, Regensburg, Mainz und Spanien bereist hatte. Ignatius selbst blieb in Rom und koordinierte mit einem ausgeklügelten Briefsystem die rasant wachsende Gemeinschaft. Zu seinem Tod 1556 zählte sie mehr als 1000 Mitglieder, die in alle vier Himmelsrichtungen verstreut waren. Mitten in einer Wende-Zeit wurde die Welt ihr Haus. Sie tauchten in fremde Kulturen ein, erforschten Sprachen und schrieben Grammatiken, wie der Apostel Brasiliens, José de Anchieta, für die Tupi- und Guarani-Sprache. Andere versuchten Symbiosen zwischen traditionellen Riten und christlichen Anschauungen zu bilden, wie Matteo Ricci oder Adam Schall von Bell in China. In Südamerika gründeten sie die Reduktionen. In diesen staatsähnlichen Konstrukten konnten über 100.000 Ureinwohner leben, selbständig wirtschaften und wurden so vor der Sklaverei durch europäische Kolonialmächte geschützt.
Absolutistischen Herrscherhäusern wurde der weltweite Orden ein Dorn im Auge. Unter dem Druck der Bourbonen löste 1773 Papst Clemens XIV die Gesellschaft Jesu auf. Zahlreiche Ordensmänner wurden vertrieben, lebten in Weltpriestergemeinschaften weiter oder fanden teilweise Zuflucht in Preußen und Russland. Hier konnte sich nun die jesuitische Schulpädagogik verbreiten. 1814 wurde die Gesellschaft Jesu wieder gegründet und wuchs schnell heran. Vielen galt sie als „Sperrspitze des Papstes“, die sich für die Restauration, die Unfehlbarkeit des Papstes und die aufblühende Weltmission einsetzten.
Mitte des 20. Jahrhundert als der Orden mit 35.000 Mitgliedern seinen Höchststand erreichte, zeigten sich wieder freiere, schöpferischere Akzente. Der Geist des Aggiornamento des Zweiten Vatikanischen Konzils, die Erfahrungen der Befreiungstheologie in Südamerika, der Einsatz in Asien und der wachsende Atheismus ließen den Orden sich auf seine Wurzeln zurückbesinnen. Die ursprüngliche Form der Exerzitien wurde wieder entdeckt und die Glaubensverkündigung eng mit dem Einsatz für Gerechtigkeit verwoben. Diese erneute Bewegung hinaus in die Welt aus einer tiefen Christusbeziehung heraus, ist untrennbar mit dem damaligen Generaloberen Pedro Arrupe und der von ihm einberufenen 32ten Generalkongregation verbunden. So sieht sich heute der Orden aufgerufen, jegliche geografischen und kulturellen Grenzen zu überschreiten und dorthin zu gehen, wo die Not am größten ist.
Die Welt ist unser Haus. Mit dieser Zuversicht versucht der Orden Gottes Zerstreuung der Menschen zu folgen, die auch schon in der Genesis nicht als Strafe gemeint war. Der jesuitische Exeget Georg Fischer arbeitet dies wunderbar in seinem Genesiskommentar heraus. Gott schafft durch sein Eingreifen der Vielfalt Raum. Er erlöst die Menschen von ihren ungesunden Ausrichtungen sowie Bindungen und schenkt ihnen neue Wege sowie Orientierung.