Wo wohnst du? Welchen Schritt kannst du jetzt machen?
Als sie ostwärts aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Land Schinar und sie wohnten dort. Gen 11,2
Wenn der Duft des frischgebackenen Brotes aus dem Ofen strömte und die Sonne ihre ersten wärmenden Strahlen schickte, war es Zeit zur Pause – herrlich war dieser Moment! Ioana genoss den Morgenkaffee. Dann wurde es schwierig. Als erster donnerte der Chef herein. Die Beziehung zu seiner Frau war die Hölle. In immer intimeren Details schilderte er den nächtlichen Streit. Es war Ioana peinlich, alles anhören zu müssen. Später kam die Frau, sie verwaltete den Betrieb im Büro, und schüttete ihr Herz aus. Nun hörte Ioana die andere Seite. Sie war hineingezogen in die Spannungen und konnte dem Paar nicht helfen. Es wurde unerträglich. Obwohl ihr die Arbeit gefiel, entschied sie sich, etwas anderes zu suchen. Sie wusste zwar nicht wohin, aber sie ging weg.
Über Freunde hörte sie von unserem Werk und bewarb sich. Im Bewerbungsgespräch erzählte sie von ihrer Familie, wie sie am Land aufgewachsen war und überall mithelfen musste. Und von ihrer Arbeit in der Bäckerei, die sie mit Freude erfüllt hatte. Sie blieb bis zum Abend, um die Arbeit und die Leute kennenzulernen, die Atmosphäre zu spüren, und verabschiedete sich mit dem Wunsch, sich hier einzusetzen. „Das ist mehr als ein Arbeitsplatz, ich fühle mich wie in einer Familie“, meinte sie begeistert. Ioana übernahm zunächst den Gemüsegarten und die Tiere. Wenn sie zu den Hühnern kam, liefen ihr alle entgegen, sie redete mit ihnen. Ioana blieb immer bis zum späten Abend und bald zog sie in die Wohngemeinschaft ein. Heute ist sie die Mutter im Haus, sie kümmert sich um den Haushalt und die Vorräte, leitet die Volontäre an, empfängt Gäste und ist immer umringt von Kindern und Tieren, die ihre Nähe suchen. Mein Lieblingskater Emil sitzt bei jedem Essen auf ihrem Schoß und sucht sie in der Nacht auf. „Was macht ihr heute in der Schule?“ fragt sie die kleine Alis beim Frühstück. Alis fürchtet sich vor der Rechenstunde, Ioana zeigt ihr, wie sie mit ihren Fingern die Zahlen errechnen kann. „Und beim Schreiben werden wir heute Abend ein paar Übungen machen“, verspricht sie ihr. So kann Alis beruhigt in die Schule gehen, alles wird gut.
Ioana hat ihren Platz gefunden, wo sie sich wohlfühlt und alles einbringen kann, was sie gelernt hat und was sie ist. Sie übernimmt immer mehr Aufgaben. Sie lernt Deutsch und macht den Führerschein. Ich bin gespannt, was noch aus ihr wird.
Ioana hatte den Mut, aufzubrechen. Wie die Geschlechter nach der Flut. Es ging ostwärts, hin zur aufgehenden Sonne, und wie bei Abraham, der dem Ruf Gottes folgte und die Heimat verließ. Ioana wiederum folgte einer inneren Stimme und brach aus einem belastenden Verhältnis aus. Ihr Mut lohnte sich. Sie fand eine Aufgabe, die ihr auf den Leib geschneidert ist. Ein neues Zuhause, in dem sie heimatlose Kinder und Jugendliche wohnen lässt. Jetzt haben sie die Sicherheit, in der sie Liebe spüren und sich entfalten können.
Die drei Stichworte „Aufbrechen – Finden – Wohnen“ sind wie Sprossen auf der Erfolgsleiter. Wohnen heißt: Wer zu sich selber finden will, wer sich zuhause wohlfühlen will, muss aufbrechen und eine Aufgabe übernehmen.
Welchen Schritt kannst du jetzt machen?