Wie füllt sich ein leeres Haus? Wie wird ein einsames Leben spannend?
Da sagte Sarai zu Abram: Siehe, der HERR hat mir das Gebären verwehrt. Geh zu meiner Sklavin! Vielleicht komme ich durch sie zu einem Sohn. Abram hörte auf die Stimme Sarais.
Gen 16,2
„Pass auf, die fressen dich mit Haut und Haar!“ So hatten die Nachbarn Larisa gewarnt, als sie sich bei uns beworben hatte. Das erzählte sie mir Jahre später. Wer einmal in unser Projekt einsteige, so hieß es, werde immer mehr hineingezogen. Das kann ich nicht abstreiten.
Larisa hatte zuvor in einer Fabrik gearbeitet. Es war eine öde Beschäftigung im Schichtdienst, abends oder nachts kam sie todmüde nach Hause ins Dorf. Oft sah sie ihren Mann die ganze Woche nicht, weil er einen anderen Schichtdienst hatte. Sie arbeiteten, sparten, bauten ein großes Haus, das bis heute nicht fertig ist. Im Erdgeschoss haben sie zwei Zimmer bewohnbar eingerichtet, der Rest blieb Rohbau. Zum ersten Stock gibt es nicht einmal eine Treppe, nur mit der Leiter kommt man hinauf. Die einzige Tochter ist schon ausgezogen, in die Stadt, weil da mehr Leben ist. Sie hat schon angekündigt, dass sie nie in dieses langweilige Dorf ziehen werde.
Dann kam Larisa zu uns. Ihre Aufgabe begann mit Gartenarbeit. Zusammen mit Zigeunerfrauen pflanzte sie Kartoffeln und Gemüse an. Sie brachte Samen von zuhause mit, bald blühten auch viele Blumen in unserem Garten. Immer wieder kochte sie für die vielen Kinder, die bei uns wohnen, und für die vielen Hungrigen, die nach der Schule kommen. Sie achtete darauf, dass die Kinder ihre Zimmer aufräumten und saubermachten. Dann kam sie etwas früher, um ihnen ein gutes Frühstück vorzubereiten. Plötzlich war sie von morgens bis abends und oft auch am Wochenende da, denn die Kinder wuchsen ihr immer mehr ans Herz. Sie war die Mami, der die Kinder vieles anvertrauten und denen sie auch die Löcher in den Socken stopfte. Wenn Larisa nach Hause ging, begleiteten sie ein paar kleine Freunde und sogar der Hund bis zum Tor. Im Sommer wohnte ein Mädchen bei ihr, das von seiner Familie verstoßen worden war. Larisa lernte Brot backen, übernahm die Kantine, führt jetzt die Frauengruppe, die im Gewächshaus das Gemüse für die große Küche anbaut. „Ja, ihr habt mich mit Haut und Haar gefressen“, sagt sie heute gerne zu den Kindern. Ehemals Fabriksarbeiterin, hat Larisa jetzt eine blühende Familie mit vielen Kindern. Auch die eigene Tochter kommt wieder ins Dorf. Vielleicht zieht sie doch eines Tages in das Haus voller Leben ein.
Larisa hat viel gemeinsam mit Sarai, der Frau Abrams. Gerne hätte sie mehr Kinder gehabt, und ihre einzige Tochter ist weggezogen. So wie Sarai konnte sie klagen: Siehe, der HERR hat mir das Gebären verwehrt. Die Zeiten sind andere als in Babylonien, dem Heimatland Abrams; und doch ist auch Larisa über Umwege zu Kindern gekommen. Zu Kindern, wie sie es sich nicht vorgestellt und nicht einmal gewünscht hatte. Die ärmsten Kinder aus dem Dorf umgeben jetzt die glückliche Mutter und ihren Mann. Sogar die ferne Tochter zieht es zurück in das „bekinderte“ Haus, wie es in einer Übersetzung heißt. Deutlich ist, dass damals und heute eine Hand im Spiel war – die der göttlichen Vorsehung.
Wie füllt sich ein leeres Haus? Wie wird ein einsames Leben spannend?