Welche Visionen klangen so verrückt, dass ich nur lachen konnte?
Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und sagt: Sollte ich wirklich noch gebären, obwohl ich so alt bin?
Gen 18,13
Da ist sie wieder! Diese typische Reaktion der Jungs. Ihre Augenpaare suchen sich, drehen sich im Kreis, Mundwinkel beginnen zu zucken, bis sie sich nicht mehr halten können und laut lachen. „Was! Wie soll das bitte gehen! Völlig absurd“, rufen sie sich gegenseitig zu und stacheln sich hoch. Es folgt eine Kaskade zynischer Bemerkungen, womit der Vorschlag der Mitleiterin ins Lächerliche gezogen wird. Johanna ist solche und ähnliche Reaktionen auf ihre Visionen gewöhnt. Sie begegnen ihr nicht nur von Gleichaltrigen in ihrer Leiterrunde, sondern auch von Erwachsenen. Zu groß, zu unmöglich wirken ihre Vorstellungen auf die anderen. Sie spricht meist aus, was sie denkt, auch wenn es noch nicht völlig durchdacht ist. Es wirkt, als würde sie beim Reden erst ihre Gedanken wahrnehmen, als würde sie diese erst hören müssen, um sie zu ordnen. Manchmal kommt ihr kreativer Ausbruch in Momenten, an denen man sich schon nahe einem Ergebnis wähnt und will alles wieder auf den Kopf stellen. Manchmal fällt es schwer das Apropos ihrer Gedanken zu finden, um mit in den Gedankenfluss einschwingen zu können. Und manchmal sind sie schlicht und einfach völlige Fehlschüsse. Es gibt häufig gute Gründe, nicht auf Johannas Ausflüsse tiefer einzugehen, aber es gibt mindestens genauso viele Gründe, sie ernst zu nehmen und aufzuhorchen. Allein schon die mitschwingende Energie ist bemerkenswert. Wer ihre Ideen nur auslacht, sei es innerlich oder gar hörbar, bleibt bei der eigenen Beschränktheit stecken. Neues und sei es auch nur die Begegnung untereinander geschieht erst im Einlassen. Das erfordert manchmal Überwindung der eigenen Vorstellungen, gerade jene, die auf vermeintliche Erfahrungen beruhen. „Erfahrung macht dumm“ meinte ein Mitbruder gerne provozierend, der viele Jahre Erkenntnistheorie dozierte.
Unzählige Erfahrungen formten Saras Blick auf die Welt und ihr Leben. Jede Verheißung noch Mutter zu werden, konnte in ihren Ohren nur noch nach Häme klingen. Diese Hoffnung war längst begraben. Vielleicht ist ihr Auflachen Zeichen einer inneren Verbitterung. Vielleicht soll ihr Lachen dem Schmerz seine Kraft nehmen. Vielleicht hatte sie sich mit der kinderlosen Perspektive arrangiert. Warum sollte also wieder die schützende Kruste aufgekratzt werden? Viele göttliche Verheißungen provozieren. Wirken in unserer Welt nicht zu Ende gedacht. Scheinen unseren Erfahrungen zu widersprechen. Wie nah und doch auch fern klingen die apokalyptischen Abschnitte aus dem Matthäusevangelium, die nun am Ende des Kirchenjahres verkündet werden? Am Sonntag beginnt mit dem ersten Advent die Vorbereitungszeit auf die Geburt des Friedensfürsten. Vom Kitsch befreit eine echte Provokation. Verdrängen wir sie mit einem saturierten Lächeln, oder entflammt sie unsere Hoffnung? Können wir gar in das „fiat“ einstimmen, so dass unser Herz zur Krippe wird (Angelus Silesius)?
Manchmal sind es Menschen wie Johanna, die mit ihren Visionen uns dumm dastehen lassen. Sie klingen in unseren Ohren verrückt. Manchmal kratzten sie an verkrusteten Wunden. Es wäre nur sehr schade, würden wir mit einem hoffnungslosen Auflachen den Geist Gottes auf unsere Erfahrungswelt beschränken und die Verheißung des Propheten Joel überhören: „Danach aber wird Folgendes geschehen: Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer haben Visionen.“ Wäre das nicht eine innere Überwindung wert?