Wenn der Anfangszauber zum Hindernis wird.
Die Sonne war untergegangen und es war dunkel geworden. Und siehe, ein rauchender Ofen und eine lodernde Fackel waren da; sie fuhren zwischen jenen Fleischstücken hindurch.
Gen 15,17
Eva und Martin sind mit ihren Anfang Zwanzig Urgesteine im Jugendverband. Mehr als die Hälfte ihres Lebens verbrachten sie hier, ob als Grüppling, als Gruppenleiter oder nun seit drei Jahren als Leiterrundenbegleiterin. Als solche betreuen sie ein zwölfköpfiges Team von Leitenden, bilden sie fort, geben ihnen Feedback und sind deren Backup. Die Gruppe startete damals mit viel Elan.
Aber zu Beginn des dritten Schuljahres schien die Luft draußen zu sein. Das ist nicht ungewöhnlich. Die Pubertät hat ihre Grüpplinge erfasst. Sie selbst haben vielleicht neue Freundeskreise erschlossen. Untereinander haben sich Spannungen entwickelt. Aber niemand wagt sie zu benennen, aus Angst den vermeintlichen Anfangszauber zu verraten. Die Gruppenleiter drücken ihre Motivationslosigkeit klar aus. Sehen auch selbst, dass letztlich sie sich für ihren Einsatz immer wieder neu entscheiden müssen. Aber es gibt eben auch unzählig viel Anderes, das sie derzeit mehr begeistert. Ihre beiden Begleiter haben schon die verschiedensten Motivationsstrategien ausprobiert. Mal zeigten sie sich verständnisvoll, mal forderten sie ein. Austauschrunden im Team sowie Einzelgespräche wurden geführt. Im Januar fand ein Übernachtungswochenende für 80 Kinder statt. Die Vorbereitungen liefen gruppendynamisch nicht gut. Doch die Begeisterung der Kinder berührte die ausgelaugten Seelen der Leitenden. Wenige Wochen später zogen sie sich für ein Wochenende zurück, um das nächste zweiwöchige Sommerlager zu planen. Eva und Martin liegt ihr Team sehr am Herzen und sie überlegten intensiv, welche Übungen der Gruppe in ihrer derzeitigen Dynamik helfen könnten. Vor drei Jahren hatten die frischgewählten Leitenden jeweils einen Brief an ihre imaginäre Tante schreiben sollen, in dem sie ihre Beweggründe für das Amt schildern sollten. In der ersten Übung wollte diese „Tante“ nun wissen, wie die Gründe nach knapp drei Jahren aussehen würden. Anschließend sollte die Gruppe sich bei einem Wettbewerb „Die beste Leiru 2024“ mit ihren Stärken und Schwächen präsentieren. Ziel der Übungen war der Versuch nach all den Hochs und Tiefs auf ihrem gemeinsamen Weg mehr Sicherheit zu haben, um von der Phase des Anfangszaubers in die geprüfte Vertrautheit zu wachsen.
Abrams Versuch scheint gescheitert zu sein. Nach all den Hochs und Tiefs auf seinem Weg sehnt er sich nach Sicherheit. Wird Gott je seine Verheißung erfüllen? Mit den geteilten Tieren fordert er einen gegenseitigen Bundesschluss ein. Es ist ein uraltes Ritual, wie Nico ter Linden in seinem Genesiskommentar erklärt. Die Vertragspartner schreiten durch die gegenüber aufgelegten Hälften der Tiere hindurch und schwören sich: „Gleich den zwei Hälften dieser Tiere, gleich der Turtel und der Taube, so gehören auch wir zueinander. Zwischen uns sei ein Blutband, das uns fortan verbindet. Bricht einer das hier gegebene Wort, dann möge es ihm wie diesen Opfertieren ergehen. Aas den Geiern möge er sein.“ Aber statt Gott erscheinen nur die Geier. Mit aller Kraft verjagt Abram die Aasfresser und fällt enttäuscht in tiefen Schlaf. Wie im Traum schenkt Gott ihm die ersehnte Sicherheit, indem er das Ritual vollzieht.
Die Gruppe ließ sich auf die Übungen ein. Eine jugendliche Ernsthaftigkeit lag in der Luft. Die Präsentation war gut, aber noch zu oberflächlich für die notwendige Reifung. Eva und Martin waren ein wenig enttäuscht. Aber dann bat die Gruppe, dass sie gerne noch unter sich weiterreden würden. Stunden vergingen, die Nacht war vorgerückt, bis sich endlich die Tür öffnete. Ein neuer Teamgeist strömte aus dem Raum. Der Anfangszauber war schließlich einer geprüften Vertrautheit gewichen.