Welche drei Gegenstände würde ich auf eine einsame Insel mitnehmen?
Von allen reinen Tieren nimm dir je sieben Paare mit, Männchen und Weibchen, und von allen unreinen Tieren je ein Paar, Männchen und Weibchen.
Gen 7,2
Alles lag in Reih und Glied aufgelegt in der Wiese. Na ja, viel war es nicht. Drei T-Shirts, zwei Hosen, eine Badehose, drei Boxershorts, zwei Paar Socken, ein Pullover und eine Regenjacke. All das wurde fest ineinander gerollt und in einen wasserdichten Sack gepresst. Hinzu kamen auf Gramm gemessene Mengen von Milch- und Tomatenpulver, Reis und Haferflocken sowie Früchtegelee, Peanutbutter und Honig. Gewürze wurden in einer extra Box wie ein wertvoller Schatz verpackt. Jeder erhielt eine Schachtel mit Wasserdesinfektionstabletten. Der größte und schwerste Gegenstand war das Funkgerät. Es musste auch fern jeglicher Zivilisation einen Notruf abgeben können. Denn die folgenden drei Wochen ging es mit vier Kanus in die weite Seenlandschaft von Kanada. Einundzwanzig Tage sollte unsere achtköpfige Gruppe so gut wie keiner anderen Menschenseele begegnen. Alles musste auf die vier kleinen Boote verteilt werden. Bei gefährlichen Wasserläufen wurde das gesamte Gepäck geschultert und der Landweg genommen. Ein wahres Abenteuer! Mit all seinen Herausforderungen war es ein Traum für uns Teenager. Jeden Abend saßen wir beisammen, schauten auf den Tag zurück und teilten uns unsere High- und Lowlights mit. Als einziger Europäer unter lauter US-Amerikaner dachte ich mir manchmal: typisch Amerikaner – sooo emotional! Aber auf diese Weise lernten wir uns schnell kennen und eine tragende Vertrauensbasis erwuchs. Nach gut zwei Wochen sollten wir einander Rückmeldung geben, was wir am anderen gut finden und was uns stört. Ein solch direktes Feedback hatte ich in meinen ganzen siebzehn Jahren zuvor noch nicht gegeben. Obwohl das im Sommer 1998 war, erinnere ich mich noch heute an die achtsamen und klaren Worte der anderen.
Am nächsten Tag folgte eine große Überraschung. Die Gruppenleiter brachten jeden einzelnen von uns auf eine kleine Insel. Dort sollten wir die nächsten drei Tage alleine verbringen. Nur eine 4m² Plastikplane als Wetterschutz, ein großes Moskitonetz, eine Schnur und unsere Wasserflasche durften wir mitnehmen. Selbst unsere Uhren blieben im Lager. Einziger Luxusgegenstand war unser Tagebuch. Wir sollten das Erlebte und Gehörte auf uns wirken lassen und uns fragen, was uns wirklich prägt und wichtig ist und wo wir uns in fünf oder zehn Jahren sehen würden.
Gott bereitete Noach und seine Familie auf eine vierzigtägige Fahrt vor. Sie würden keiner anderen Menschenseele mehr begegnen. Nur wenig konnten sie mitnehmen. Mit den reinen Tieren sicherten sie nicht nur ihr leibliches, sondern auch ihr seelisches Wohl. Denn nur diese Tiere durften für Nahrung und Kultopfer verwendet werden.
Am zweiten Tag in meiner kleinen Klause zog ich meine Bibel hervor, die ich mit Sondergenehmigung mitschleppen durfte. Es war Sonntag. An die Schriftworte kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich weiß noch, wie sie einen tiefen Hunger in mir stillten, der im kanadischen Abenteuer an die Oberfläche getreten war. In mein Tagebuch schrieb ich den Wunsch, in zehn Jahren wissen zu wollen, ob ich Priester oder Ehemann sein würde.
2008 trat ich ins Noviziat der Jesuiten ein. Seitdem schließe ich jeden Tag, indem ich vor Gott meine High- und Lowlights in den Blick nehme. Sooo emotional.