Wenn du schnell gehen willst, dann gehe allein. Wenn du weit gehen willst, gehe mit anderen.
Sarai, Abrams Frau, nahm also die Ägypterin Hagar, ihre Sklavin, zehn Jahre, nachdem sich Abram im Land Kanaan niedergelassen hatte, und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau.
Gen 16,3
Ohne Leo und Hanna würde vieles nicht laufen. Die beiden Teenager wehen durch die Jugendräume wie ein kleiner Wirbelwind. Ihre ganze Energie stecken sie in die Verwirklichung zahlreicher Projekte. Kaum noch tauchen sie zu Hause auf. Für die verschiedensten Ämter haben sie sich aufgestellt und wurden gewählt. Sie wollen gestalten. Und zwar jetzt und heute. Jede Gemeinschaft freut sich über solche Energiebündeln.
Ohne Leo und Hanna würde vieles anders laufen. Nicht alle können mit deren Tempo mithalten. Nicht, dass sie bewusst andere ausgrenzen, aber für lange Prozesse fehlt ihnen die Geduld. Zusammen mit zehn anderen Gleichaltrigen leiten sie eine knapp 100köpfige Jugendgruppe. Jedes Teammitglied setzt sich mit seinen Talenten für die Schar ein. Aber nicht jeder ist bereit 180% zu geben, sondern hat auch andere Interessen neben der Jugendarbeit oder Ansprüche an sein Ehrenamt. Projekte werden hinterfragt, aber Leo und Hanna überhören die kritischen Zwischentöne. Sie versuchen die anderen mit ihrer Begeisterung zu motivieren und preschen mit ihren Vorstellung nach vor.
Ein Übernachtungswochenende für die Hundertschaft steht vor der Tür. Nur noch wenige Tage für die Vorbereitung und noch Unzähliges muss organisiert und gebastelt werden. Wo aber bleibt der Rest? Natürlich gibt es „Gründe“, wie Klausuren, Geburtstagsfeier, Familienausflug usw. Trotzdem fühlen sich Leo und Hanna alleingelassen. „Wir haben doch alles besprochen? Alle waren dafür! Aber wenn es um die Umsetzung geht, …“ Enttäuschung macht sich breit.
Wie enttäuscht muss wohl Sarai gewesen sein? Alles haben sie und Abram verlassen. Endlich sind sie sesshaft geworden. Doch von der göttlichen Verheißung einer großen Nachkommenschaft keine Spur. Hat Abram sich getäuscht? Ist es vielleicht nur sein Wunsch? Wie auch immer. So darf die Geschichte nicht enden. Etwas muss geschehen. Und zwar jetzt und heute. Wenn schon ich kein Kind empfangen kann, soll wenigstens durch meine Sklavin die Nachkommenschaft gesichert sein. Als meine Leibeigene kann Hagar für mich ein Kind gebären. Das ist bei uns nicht ungewöhnlich. Eine Lösung scheint gefunden zu sein. Ob sie die beste ist, wird sich zeigen.
Die Augen der Kinder leuchten. Voll Freude genießen sie das Angebot, das v.a. durch Leo und Hanna hingebogen wurde. Alles scheint nochmal gut gegangen zu sein. Doch bei der abendlichen Austauschrunde teilen die beiden der Gruppe ihre Enttäuschungen mit. Die anderen hören ihnen zu. Sie können ihren Frust nachvollziehen – aus deren Perspektive. Aber sie bitten die beiden auch ihre Sicht zu hören. Niemand möchte ihnen ihre Einsatzfreude nehmen, aber sie überfordere das Team, so dass sich die einzelnen im Laufe der Zeit zurückgezogen haben.
Ein neuer Schritt in der Gruppendynamik ist notwendig: vom einzelnen Performer hin zum Teamplayer. Oder wie das afrikanische Sprichwort lautet, das mir ein Mitbruder einmal liebevoll zusagte: Wenn du schnell gehen willst, dann gehe allein. Wenn du weit gehen willst, gehe mit anderen.